jurisPR-BGHZivilR 5/2012 Anm. 1 Selbstständiges Beweisverfahren und Verjährungshemmung
Anmerkung zu BGH 7. Zivilsenat, Beschluss vom 09.02.2012 - VII ZR 135/11 Leitsatz A. Problemstellung B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Daraufhin leitet die Unternehmerin beim Landgericht ein selbstständiges Beweisverfahren ein zur Klärung der Frage, ob die behaupteten Mängel vorliegen. Das selbstständige Beweisverfahren endet im April 2007. Zwei Jahre später, im April 2009, klagt die Unternehmerin ihren Werklohn ein. Das Erstgericht weist die Werklohnklage wegen Verjährung ab. Die dreijährige Verjährungsfrist (§ 195, 199 BGB) sei ohne Hemmung mit Ende des Jahres 2007 abgelaufen. Auf die Berufung ändert das zweitinstanzliche Gericht die Entscheidung des Landgerichts ab. Es gibt der Klage statt. Die Revision wird nicht zugelassen. Der beklagte Bauherr erhebt Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH (§ 544 ZPO) mit dem Ziel, weiterhin die Abweisung der Klage zu erreichen. Während das Erstgericht den Klaganspruch für verjährt gehalten hat, vertritt das Berufungsgericht die Auffassung, das von der Klägerin eingeleitete selbstständige Beweisverfahren habe gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB zur Hemmung der Verjährung der Werklohnforderung geführt. Der unterlegene beklagte Bauherr begründet seine Nichtzulassungsbeschwerde wie folgt: Es sei die in der Rechtsprechung der Instanzgerichte und Literatur umstrittene Frage zu klären, ob ein vom Auftragnehmer zur Klärung der Mangelfreiheit seiner Werkleistung eingeleitetes selbstständiges Beweisverfahren gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB die Verjährung der Werklohnforderungen hemmt oder ob der dort geregelte Hemmungstatbestand ohne Einfluss auf die Verjährung der Vergütungsforderungen ist. Der BGH beantwortet die Frage wie folgt: Entgegen der Auffassung der beklagten Partei habe die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung (§ 544 i.V.m. § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Deshalb weist der BGH die Nichtzulassungsbeschwerde zurück. Der Meinungsstreit in Bezug auf die Frage, ob die Einleitung eines selbstständigen Beweisverfahrens die Vergütungsansprüche des Auftragnehmers hemmt oder nicht, betrifft nach Auffassung des BGH den vorliegenden Fall nicht. Die Klägerin habe das selbstständige Beweisverfahren eingeleitet, nachdem der Beklagte die bis Ende Mai 2004 verlangte Abnahme unter Hinweis auf angebliche Mängel verweigert hatte. Die Fälligkeit des Vergütungsanspruchs des Auftragnehmers hing gemäß § 640 Abs. 1 Satz 3 BGB davon ab, ob er nachweisen konnte, dass die behaupteten Mängel nicht vorlagen und Abnahmereife gegeben war. Wenn aber in einem solchen Fall der Auftragnehmer die Mängelfreiheit seiner Werkleistungen in einem selbstständigen Beweisverfahren klären lassen will, um seinen Vergütungsanspruch gerichtlich durchsetzen zu können, führe die Einleitung eines solchen Verfahrens – so der BGH – nach einhelliger Auffassung dazu, dass die Verjährung des Vergütungsanspruchs gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB gehemmt wird (Kniffka/Schmitz, ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht, Stand: 30.09.2011, § 634a Rn. 126; Joussen in: Ingenstau/Korbion, VOB, 17. Aufl., Teil B, Anh. 3 Rn. 41; Lakkis in: jurisPK-BGB, 5. Aufl., § 204 Rn. 9.1; Weyer, BauR 2001, 1807, 1811; Heinrichs, BB 2001, 1417, 1421). Die Frage der Hemmung hat nach Auffassung des BGH das Berufungsgericht zutreffend beantwortet. Sie bedarf keiner weiteren Klärung. Ergebnis also: Leitet der Unternehmer ein selbstständiges Beweisverfahren ein, um die Abnahmereife seiner Leistung und damit die Fälligkeit seines Vergütungsanspruchs feststellen zu lassen, bewirkt die Einleitung dieses Beweisverfahrens auch die Hemmung seiner Vergütungsansprüche. Ob ein vom Unternehmer eingeleitetes selbstständiges Beweisverfahren die Verjährung seines Vergütungsanspruchs auch dann hemmt, wenn es ihm nur um die Abwehr möglicher Mängelansprüche des Bauherrn geht, bleibt nach der Entscheidung des BGH offen. C. Kontext der Entscheidung Geht es darum, dass der Unternehmer wegen bestrittener Abnahmereife das Nichtbestehen von Mängeln, damit die Abnahmefähigkeit seiner Leistung und die Fälligkeit seines Vergütungsanspruchs belegen will, führt die Einleitung des Beweisverfahrens regelmäßig zur Hemmung des Vergütungsanspruchs. Geht es dem Unternehmer allerdings (zum Beispiel nach erfolgter Abnahme) nur darum, Gewährleistungsansprüche des Auftraggebers abzuwehren, bleibt nach der Entscheidung des BGH die Frage offen, ob die Einleitung des Beweisverfahrens ebenfalls Hemmungswirkung für den Vergütungsanspruch hat. Der BGH entscheidet diese Frage nicht, äußert aber Zweifel daran, ob in solchen Fällen eine Hemmungswirkung eintritt („Daran könnte es fehlen, wenn der Auftragnehmer die Mangelfreiheit aufklären lassen will, um Mängelrechte des Auftraggebers abzuwehren.“). Die Frage, ob in solchen Fällen die Hemmung des Vergütungsanspruchs eintritt, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Die herrschende Auffassung geht davon aus, dass ein zur Abwehr von Mängelansprüchen durch den Unternehmer eingeleitetes selbstständiges Beweisverfahren (mit dem Ziel der Feststellung, dass Mängel nicht bestehen) nicht zur Hemmung des Vergütungsanspruchs führt (OLG Saarbrücken, Urt. v. 17.08.2005 - 1 U 621/04 - NJW-RR 2006, 163, 164; Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 3. Aufl., Teil 2 Rn. 139; Lenkeit, BauR 2002, 196, 216; Heinrich in: Bamberger/Roth, BGB, 3. Aufl., § 204 Rn. 30; Grothe in: MünchKomm BGB, 6. Aufl., § 204 Rn. 44; Vogel, jurisPR-PrivBauR 6/2008 Anm. 4, unter E). Diese Auffassung findet ihre Stütze im Grundsatz, dass die Hemmungswirkung des selbstständigen Beweisverfahrens nur solche Ansprüche betrifft, für deren Nachweis die vom Gläubiger zum Gegenstand des Beweisverfahrens gemachten Tatsachenbehauptungen von Bedeutung sind. Für Vergütungsforderungen und den Lauf der Verjährungsfrist bei diesen ist aber die Frage des Bestehens oder Nichtbestehens von Mängeln grundsätzlich irrelevant, selbst wenn man davon ausgeht, dass Mängelansprüche Vergütungsansprüchen als Gegenrechte entgegengesetzt werden können. Die Gegenauffassung sieht die Hemmungswirkung des § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB umfassender: Diese sei nicht auf bestimmte Gläubiger beschränkt. Deshalb gelte von Gesetzes wegen die Hemmungswirkung auch für den Auftragnehmer hinsichtlich seiner Vergütungsansprüche, soweit er ein Beweisverfahren einleitet (Joussen in: Ingenstau/Korbion, VOB, Teil B, Anh. 3 Rn. 41, m.w.N.; Schmidt-Räntsch in: Erman, BGB, 13. Aufl., § 204 Rn. 20). Der Sinn und Zweck des Beweisverfahrens insbesondere nach § 485 Abs. 2 ZPO – so Joussen – bestehe gerade darin, eine solche Hauptsacheklage zu vermeiden, wenn absehbar ist, dass es im Ergebnis auf bestimmte Mängelbehauptungen ankomme. Das spreche für eine umfassende Hemmungswirkung auch in Richtung auf Vergütungsansprüche des Auftraggebers in vergleichbaren Fällen. Nach der besprochenen Entscheidung des BGH bleibt diese Frage weiter offen, wenn auch eine Tendenz des BGH zur herrschenden Meinung erkennbar zu sein scheint. D. Auswirkungen für die Praxis E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung Diese regelmäßig für die Zurückweisung von Nichtzulassungsbeschwerden eingesetzte Pauschalbegründung ist für die Prozessbeteiligten unbefriedigend und für die Rechtsentwicklung unergiebig (Reinelt, ZAP-Kolumne 2011, S. 339 „Blockiert der Gesetzgeber den BGH?“). Weil jede Begründung – in gewissem Umfang – die Konturen für die Zulassungsvoraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO schärft, ist sie auch entgegen der Formulierung des Gesetzes stets geeignet, zur Klärung der Zulassungsvoraussetzungen beizutragen. Im vorliegenden Fall geschieht das dadurch, dass der BGH deutlich macht: Die in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage des Umfangs der Hemmungswirkung von selbstständigem Beweisverfahren mit dem Ziel der Klärung von Mängeln und dessen Einfluss auf die Vergütungsforderung ist für den vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich und rechtfertigt deshalb nicht die Zulassung der Revision. Hier ist aber unabhängig von der generellen Streitfrage aber von einem Einfluss der Hemmung auf die Vergütungsforderung auszugehen, weil es um die Abnahmefähigkeit und damit die Fälligkeit des Vergütungsanspruchs geht. Es ist erfreulich, dass der BGH sich hier ausnahmsweise nicht mit der pauschalen Begründung der Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde begnügt. Er trägt mit seiner Begründung einerseits zur Klärung von Zulassungsvoraussetzungen und andererseits zur Beurteilung der Hemmungswirkung des selbstständigen Beweisverfahrens hilfreich bei. |