jurisPR-BGHZivilR 4/2011 Anm. 1 Keine Übertragung der Rechtsprechung zur Eigenbedarfskündigung bei der BGB-Gesellschaft auf die Personenhandelsgesellschaft
Anmerkung zu BGH, Urteil vom 15.12.2010, VIII ZR 210/10
Leitsatz A.
Problemstellung B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Die GmbH & Co. KG hat Wohnraum vermietet. Sie kündigt das Mietverhältnis ordentlich und gibt zur Begründung Eigenbedarf der beiden (69 und 74 Jahre alten) Gesellschafter der Klägerin an. Das Amtsgericht weist die Räumungsklage ab. Das Landgericht entscheidet ebenso: Es hält die Berufung der Klägerin für unbegründet. Die Kündigung der Klägerin sei unwirksam, weil ihr als GmbH & Co. KG ein Eigenbedarf ihrer Gesellschaft nicht zugerechnet werden könne. Die Übertragung der Rechtsprechung des BGH zur BGB-Gesellschaft (Berechtigung der Kündigung aus Eigenbedarf eines Gesellschafters, BGH, Urt. v. 27.06.2007 - VIII ZR 271/06 - NJW 2007, 2845; BGH, Urt. v. 16.07.2009 - VIII ZR 231/08 - NJW 2009, 2738) auf die Personenhandelsgesellschaft sei nicht möglich. Die Rechtssicherheit gebiete es, die Zurechnung des Eigenbedarfs der Gesellschafter auf die Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu beschränken. Der BGH folgt dieser Auffassung. Er weist die zugelassene Revision zurück. Dem Berufungsgericht sei darin beizupflichten, dass einer GmbH & Co. KG ein Eigenbedarf ihrer Gesellschafter nicht zugutekommen könne. Zwar sei es möglich, den Eigenbedarf eines der Gesellschafter einer BGB-Gesellschaft zuzurechnen, mit der Folge, dass die BGB-Gesellschaft selber nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB kündigen könne. Der BGH verweist dafür auf seine bisher dazu erlassenen oben zitierten Entscheidungen. In diesen war er zu dem Ergebnis gekommen, dass der Eigenbedarf eines Gesellschafters der BGB-Gesellschaft die Kündigung durch die BGB-Gesellschaft nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB rechtfertigt. Diese Rechtsprechung – so der VIII. Zivilsenat – lasse sich aber nicht auf Personenhandelsgesellschaften und somit auch nicht auf die GmbH & Co. KG übertragen. Der Grund der Erstreckung der Befugnis zur Eigenbedarfskündigung auf die BGB-Gesellschaft bei Eigenbedarf eines ihrer Gesellschafter liegt nach Auffassung des BGH in Folgendem: Es sei im Ergebnis nicht gerechtfertigt, Gesellschafter einer bürgerlich-rechtlichen Gesellschaft schlechter zu stellen als die Mitglieder einer einfachen Vermietermehrheit. Denn es hänge oft vom Zufall ab, ob eine Personenmehrheit dem Mieter eine Wohnung als Gemeinschaft oder Gesellschaft bürgerlichen Rechts vermietet. Der Gründung einer KG oder offenen Handelsgesellschaft gehe dagegen eine umfangreiche organisatorische und rechtsgeschäftliche Tätigkeit bis hin zur Eintragung in das Handelsregister voraus. Anders als bei der BGB-Gesellschaft gebe es deshalb von vornherein nicht einen zufälligen Akt der Gründung, der auch durch tatsächliches Verhalten zustande kommen kann, vielmehr beruhe der Gründungsakt auf einer bewussten Entscheidung aufgrund wirtschaftlicher, steuerrechtlicher und/oder haftungsrechtlicher Überlegungen. Deshalb sei die Interessenlage bei der Vermietung einer Wohnung durch eine Bruchteilsgemeinschaft oder Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit derjenigen bei einer Personenhandelsgesellschaft nicht vergleichbar, auch dann nicht, wenn es sich um eine personalistisch gebundene, vermögensverwaltende Kommanditgesellschaft handelt, zu der sich Eheleute zusammengeschlossen haben. Aus der Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit der BGB-Gesellschaft folge nichts anderes. Schließlich lasse sich auch aus dem vom Senat anerkannten berechtigten Interesse einer Kommanditgesellschaft an der Kündigung eines Wohnraummietvertrages aufgrund betriebsbedingter Notwendigkeit zugunsten eines Mitarbeiters oder Geschäftsführers nichts für die hier in Frage stehende Eigenbedarfskündigung gewinnen. Der Senat hatte durch Urteil vom 23.05.2007 (VIII ZR 122/06 - NZM 2007, 639) den Betriebsbedarf als grundsätzlich berechtigtes Interesse i.S.d. § 573 Abs. 1 BGB anerkannt. Das sei mit dem persönlichen Nutzungswunsch von Kommanditisten oder Gesellschaftern sowie Geschäftsführern von Gesellschaften nicht zu vergleichen, so dass deren Eigenbedarf der Gesellschaft nicht zugerechnet werden könne. C.
Kontext der Entscheidung Die Unterschiede sieht der BGH insbesondere in der Frage des Gründungsaktes bei der BGB-Gesellschaft einerseits und der Personenhandelsgesellschaft andererseits. Während eine BGB-Gesellschaft auch zufällig zustande kommen kann, bedarf es bei der Personenhandelsgesellschaft stets eines Gründungsaktes. Das ist zweifellos ein beachtlicher Unterschied. Ob es ausreicht, die Parallelität der Interessenlage, jedenfalls bei der vermögensverwaltenden Personenhandelsgesellschaft, zu verneinen, könnte man gleichwohl bezweifeln. Natürlich kommt eine Personenhandelsgesellschaft, erst recht eine Kapitalgesellschaft, die Komplementärin der Personenhandelsgesellschaft ist, nur durch einen bewussten Gründungsakt und organisatorische Maßnahmen zustande. Wenn sie aber ausschließlich dazu dient, das Vermögen der einzigen Gesellschafter zu verwalten und diese einzigen Gesellschafter – vergleichbar denjenigen bei einer BGB-Gesellschaft – tatsächlich Eigenbedarf haben, kann man durchaus auch Argumente für die Parallelität der Interessenlage finden. Die Situation eines Gesellschafters einer vermögensverwaltenden Personenhandelsgesellschaft stellt sich – was Eigenbedarf angeht – nicht grundsätzlich anders dar als diejenige eines einzelnen BGB-Gesellschafters. Vermutlich hat für die Erwägungen des BGH jedoch auch eine Rolle gespielt, dass ansonsten Abgrenzungsschwierigkeiten angesichts vollständig verschieden strukturierter Personenhandelsgesellschaften auftreten können, nimmt man etwa eine Familiengesellschaft einerseits oder eine Publikums-Fondsgesellschaft andererseits in den Blick. D.
Auswirkungen für die Praxis |