jurisPR-BGHZivilR 20/2009 Anm. 3 Teilkündigung nach § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 2 VOB/B - zum Begriff des in sich abgeschlossenen Teils der vertraglichen Leistung
Anmerkung zu BGH 7. Zivilsenat, Urteil vom 20.08.2009 - VII ZR 212/07 Leitsätze A. Problemstellung B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Mit einem Schreiben, das circa drei Wochen nach Ablauf der Frist verfasst wird, kündigt der Beklagte die Bauabschnitte 2 und 3 wegen Verzugs. Die Unternehmerin bestreitet die Wirksamkeit der Kündigung, die der Beklagte jedoch bestätigt. Daraufhin erklärt die Unternehmerin ihrerseits die Kündigung aus wichtigem Grund. Die Arbeiten am Bauabschnitt 1 sind zu circa 80% von der Schuldnerin fertiggestellt. In den Bauabschnitten 2 und 3 sind Leistungen nicht erbracht. Der Kläger verlangt als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Unternehmerin Werklohn für erbrachte und nicht erbrachte Leistungen. Außerdem stellt er einen Feststellungsantrag, dass die Umsatzsteuer auf den Werklohn für die nicht erbrachten Leistungen geschuldet sei. Das Landgericht gibt dem klagenden Insolvenzverwalter Recht. Auch die Berufungsinstanz folgt der Argumentation des Unternehmers. Eine Teilkündigung sei unabhängig von der Frage, ob die Verzugsvoraussetzungen vorlagen, nicht möglich gewesen. Denn es handele sich nicht um in sich abgeschlossene Teile der Leistung i.S.d. § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 2 VOB/B. Das Berufungsgericht stützt den geltend gemachten Zinsanspruch des Unternehmers auf § 286 Abs. 3 BGB. Es spricht weiter die Feststellung aus, dass der Bauherr verpflichtet ist, die Umsatzsteuer auf die nicht erbrachten Leistungen zu erstatten, sofern die Schuldnerin insoweit bestandskräftig zur Abführung der Umsatzsteuer herangezogen wird. Der BGH lässt die Revision zu. Er sieht offenbar – obwohl er dem
Berufungsgericht weitgehend Recht gibt – höchstrichterlichen Klärungsbedarf in
wesentlichen Rechtsfragen. In der Beurteilung der Unwirksamkeit der
außerordentlichen Kündigung des Unternehmers nach § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 2 VOB/B
folgt der BGH der Tatsacheninstanz. Eine Teilkündigung sei im vorliegenden Fall
nicht möglich gewesen. Sie habe sich nicht auf einen in sich abgeschlossenen
Teil der vertraglichen Leistung bezogen. Eine Umdeutung der außerordentlichen Kündigung in eine das gesamte Vertragsverhältnis beendende Kündigung kommt im vorliegenden Fall nicht in Betracht. Denn der Bauherr hat – wie tatsächlich festgestellt wurde – ausdrücklich zu erkennen gegeben, dass er die Fortführung der Arbeiten am Bauabschnitt 1 wünscht und den Auftragsentzug ausschließlich auf die noch nicht begonnenen Bauabschnitte 2 und 3 beschränken wollte. Das schließt eine Umdeutung in eine unbeschränkte außerordentliche Auftragsentziehung nach § 8 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B ebenso aus wie die Umdeutung in eine ordentliche Kündigung nach § 8 Nr. 1 Abs. 1 VOB/B. Die Folge dieser unwirksamen außerordentlichen Kündigung, an der der Bauherr festhält: Sie schafft eine Berechtigung des Unternehmers, seinerseits aus wichtigem Grund das Vertragsverhältnis zu kündigen, weil die unwirksame Teilkündigung eine Vertragsverletzung durch den Bauherrn darstellt (§ 280 BGB). Damit ist jedoch entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts noch keine Entscheidung des Anspruchs in Bezug auf nicht erbrachte Leistungen gefallen: Dieser Anspruch kann nämlich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – so der BGH – nicht ohne Weiteres aus § 9 Abs. 3 Satz 2 VOB/B i.V.m. § 642 BGB hergeleitet werden. Diese Regelung, die dem Unternehmer ein Kündigungsrecht vor dem Hintergrund gewährt, dass der Auftraggeber den Auftragnehmer außerstande setzt, die Leistung auszuführen (§ 9 Nr. 1 a VOB/B), führt im Ergebnis nur zu Ansprüchen auf Entschädigung. Das sind Verzögerungskosten, die bis zur Kündigung entstanden sind (Ingenstau/Korbion/Vygen, VOB/B, 16. Aufl., § 9 Nr. 3 Rn. 8; Kapellmann/Messerschmidt/v. Rintelen, VOB, Teile A und B, 2. Aufl., § 9 VOB/B Rn. 85; Kniffka in: Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 3. Aufl., Teil 8 Rn. 28). Entgangener Gewinn ist damit nicht erfasst. Dieser kann jedoch aus einem Schadensersatzanspruch nach § 280 BGB hergeleitet werden. Hierfür hat das Berufungsgericht nach Zurückverweisung weitere Tatsachenfeststellungen zu treffen. Ungeklärt sei in diesem Zusammenhang (so der BGH in Tz. 31), inwieweit die Unternehmerin ein Mitverschulden an der Entstehung des Schadens trifft. Dieses könne unter Umständen aus folgendem Gesichtspunkt hergeleitet werden: War die Unternehmerin gegebenenfalls – was weiterer tatsächlicher Aufklärung bedarf – zur außerordentlichen Kündigung des gesamten Werkvertragsverhältnisses (ohne Beschränkung auf die nicht abgegrenzten Teile des Bauvorhabens) berechtigt, kann unter Umständen der dann insoweit von der Unternehmerin zu vertretene Verzug ein Umstand sein, der bei der Bemessung des Schadensersatzes nach § 280 BGB einen Mitverschuldenseinwand nach § 254 BGB rechtfertigt und damit zur Reduzierung des dem Grunde nach gegebenen Schadensersatzanspruchs aus § 280 BGB führt. Diese Frage kann der BGH jedoch mangels tatsächlicher Aufklärung nicht selber entscheiden (Tz. 32). Im Zusammenhang mit der Zubilligung der Vergütung für erbrachte Leistungen durch die Tatsacheninstanzen bestätigt der Senat im Wesentlichen die zusprechende Berufungsentscheidung. Er befasst sich jedoch mit einzelnen in diesem Zusammenhang wichtigen Rechtsfragen. Die Vertragsstrafenregelung, die in den Allgemeinen Vorbemerkungen des vom Beklagten gestellten Vertragswerks enthalten ist, sieht „für den Fall des Verzugs des Auftragnehmers eine Vertragsstrafe in Höhe von 0,1% der Auftragssumme je Werktag“ vor, „begrenzt auf maximal 10% der Gesamtauftragssumme“. Diese Bestimmung ist nach Auffassung des BGH unwirksam, weil sie gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verstößt. Die Klausel macht nicht im gebotenen Maß deutlich, auf welche Vertragspflichten sich der Verzug bezieht (Tz. 43). Aufrechenbare Vertragsstrafenansprüche können daher auf diese unwirksame Klausel nicht gestützt werden. Schließlich geht es um die Verzinsung: Hier bestätigt der Senat die Auffassung des Berufungsgerichts, dass bei einer Inhaltskontrolle der einzelnen Vorschriften der VOB/B nach den Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen (vgl. BGH, Urt. v. 10.05.2007 - VII ZR 226/05 - BauR 2007, 1404, 1406) die Verzinsungsregelung des § 16 Nr. 5 Abs. 4 VOB/B nach § 307 BGB unwirksam ist. § 286 Abs. 3 und § 288 BGB sehen vor, dass die Folgen vertragswidrigen Verhaltens nicht mehr davon abhängen sollen, dass der Gläubiger den Schuldner zusätzlich mahnt (der BGH verweist auf die BT-Drs. 14/6040, S. 146 und die dort vorgenommene Umsetzung der Richtlinie 2000/35 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.06.2000 (Zahlungsverzugsrichtlinie)). Die Regelung des § 16 Nr. 5 Abs. 3 VOB/B ist nach Auffassung des BGH mit dem
Rechtsgedanken des § 286 Abs. 3 BGB, der eine kürzere Frist für den Eintritt des
Verzugs und damit des Zinsbeginns vorsieht (spätestens 30 Tage nach Fälligkeit
und Empfang der Gegenleistung), nicht vereinbar. § 286 BGB enthält – so der BGH
– eine nicht nur auf Zweckmäßigkeitserwägungen, sondern auf dem
Gerechtigkeitsgebot basierende gesetzliche Regelung (Tz. 50). C. Kontext der Entscheidung Neu – und vielleicht überraschend – ist der Gedanke, dass eine unwirksame außerordentliche Teilkündigung nach § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 2 VOB/B, die ihrerseits eine Vertragsverletzung nach § 280 BGB darstellt, nicht unbedingt uneingeschränkt Schadensersatz des unberechtigt Kündigenden zur Folge hat. Der Gedanke, dass hier gegebenenfalls ein mitwirkendes Verschulden des von der unwirksamen Kündigung Betroffenen nach § 254 BGB vorliegen kann, wenn die Kündigung als gesamte außerordentliche Kündigung wegen Vorliegens der Verzugsvoraussetzungen wirksam gewesen wäre, führt zu einer sehr weitgehenden Berücksichtigung eines hypothetischen Kausalverlaufs. Sie wird die Gerichte veranlassen, auch bei unwirksamen Teilkündigungen die Frage zu prüfen, ob denn hypothetisch eine uneingeschränkte außerordentliche Kündigung möglich gewesen wäre, die dann über § 254 BGB für die Bemessung des Schadensersatzes von Bedeutung sein kann. D. Auswirkungen für die Praxis Die Verzinsungsregelung in § 286 Abs. 3 i.V.m. § 288 BGB, die den Zinsbeginn spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung auslöst, setzt sich auch bei Vereinbarung der VOB/B in Fällen, in denen die Möglichkeit der Inhaltskontrolle einzelner VOB-Vorschriften besteht, in vollem Umfang gegenüber der restriktiven Verzinsungsregelung in § 16 Nr. 5 Abs. 3 VOB/B durch. E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung |