jurisPR-BGHZivilR 18/2009 Anm. 2 Mieterschutz bei Eigenbedarfskündigung im Münchener Modell (analog § 577a BGB)?
Anmerkung zu BGH 8. Zivilsenat, Urteil vom 16. Juli 2009, VIII ZR 231/08 Leitsatz Orientierungssatz zur Anmerkung A. Problemstellung B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Das erstinstanzliche Gericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der bestrittene Eigenbedarf sei nicht substantiiert vorgetragen und unter Beweis gestellt worden. Das Berufungsgericht folgt dieser Auffassung nicht. Es stellt sich jedoch auf den Standpunkt, eine Kündigung der BGB-Gesellschaft könne auf Eigenbedarf eines Gesellschafters nur dann gestützt werden, wenn jener Gesellschafter bereits bei Abschluss des Mietvertrags Gesellschafter gewesen sei. Für diese Auffassung beruft sich die zweitinstanzliche Entscheidung auf die Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 27.06.2007 - VIII ZR 271/06 - NJW 2007, 2845). Nach dieser Entscheidung sei zwar davon auszugehen, dass eine BGB-Gesellschaft für einen Gesellschafter wegen Eigenbedarfs kündigen könne. Das gelte jedoch nur dann, wenn dieser bereits bei Abschluss des Mietvertrags Gesellschafter gewesen sei. Ansonsten entspreche es dem Schutzzweck des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB, den Mieter vor dem unkalkulierten Risiko von Eigenbedarfskündigungen durch einen nicht überschaubaren Personenkreis zu bewahren. Der BGH hebt die Berufungsentscheidung auf. Zwar gehe das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend davon aus, dass nach der von ihm zitierten Entscheidung vom 27.06.2007 (VIII ZR 271/06 - NJW 2007, 2845 Rn. 10 ff.) eine BGB-Gesellschaft als Vermieterin einem Mieter grundsätzlich wegen Eigenbedarfs eines Gesellschafters kündigen dürfe. Die These, das gelte nur, wenn der Gesellschafter, dessen Eigenbedarf behauptet wird, bereits bei Abschluss des Mietvertrags Mitglied der BGB-Gesellschaft gewesen sei, greift der VIII. Zivilsenat nicht wieder auf. Die Vorschrift des § 566 BGB, so der BGH, schütze den Mieter nicht davor, dass eine Personenmehrheit als Erwerberin in den Mietvertrag eintritt, unabhängig davon, ob es sich um eine Eigentümergemeinschaft, eine Erbengemeinschaft oder eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts handele; auf die Zahl der Gesellschafter komme es nicht an (Rn. 13 f.). Der BGH vertritt die Auffassung, die GbR könne wirksam aus Eigenbedarf eines ihrer Gesellschafter kündigen. Eine unmittelbare Anwendung der Schutzvorschrift bei Eigenbedarfskündigungen nach § 577a BGB lehnt der BGH ab. Zum Zeitpunkt der Kündigung sei eine Umwandlung in Wohnungseigentum noch nicht erfolgt. Für eine analoge Anwendung des § 577a BGB fehle es an einer entsprechenden Regelungslücke. Die Vorschrift, die den Mieter vor Eigenbedarfskündigung bei Umwandlung schützt, gelte nur, wenn zunächst die Umwandlung in Wohnungseigentum erfolgt. Der Mieter solle nur davon geschützt werden, dass umgewandelte Eigentumswohnungen zur Befriedigung eigenen Wohnbedarfs erworben werden. Eine Umgehung der Vorschrift des § 577a BGB sieht der BGH nicht. Es bestehe hier nicht dieselbe nahe liegende Gefahr einer Verdrängung des Mieters im Falle der vorherigen Umwandlung in Wohnungseigentum. Der BGH ist der Auffassung, dass eine Erweiterung der Sperrfristregelung des § 577a BGB auf die Kündigung nach § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB im vorliegenden Fall nicht in Betracht komme. Er legt die Vorschrift des § 577a BGB eng aus. Deshalb hebt der BGH die Berufungsentscheidung auf und verweist den Rechtsstreit zurück. C. Kontext der Entscheidung D. Auswirkungen für die Praxis Anders als beim Erwerber eines Objekts durch Eheleute als Miteigentümer (vgl. BGH, Beschl. v. 06.07.1994 - VIII ARZ 2/94 - BGHZ 126, 357) oder durch den Erwerb einer miteinander von vornherein verbundenen Gemeinschaft als BGB-Gesellschaft, deren sämtliche Mitglieder von Anfang an Eigenbedarf haben, handelt es sich beim Münchener Modell um eine professionelle, vom Bauträger initiierte modellhafte Verwertungsstrategie. Er sucht gezielt Interessenten, die eine letztlich umgewandelte Eigentumswohnung erwerben wollen. Um die Schutzvorschrift des § 577a BGB zu umgehen, wirbt er diese Interessenten – selbst Mitglied der BGB-Gesellschaft – als BGB-Gesellschafter ein. Der BGH betrachtet die Frage der Anwendbarkeit des § 577a BGB bei der Verneinung der Analogie mehr unter dem Gesichtspunkt der Reihenfolge der jeweiligen Teilakte des Gesamtablaufs als unter dem Gesichtspunkt des Mieterschutzes. Es ist fraglich, ob der Mieter nicht auch dann in gleicher Weise geschützt sein sollte, wenn zuerst die Kündigung durch die BGB-Gesellschaft und dann erst die Umwandlung in Miteigentumsanteile, verbunden mit dem jeweiligen Sondereigentum erfolgt. Aus der Sicht des Mieters und dessen notwendigem Schutz vor Eigenbedarfskündigungen spielt es keine Rolle, ob die Umwandlung in Wohnungseigentum zuvor geschieht oder – wie von Anfang an geplant – zur Vermeidung der Kündigungsbeschränkung nach § 577a BGB erst nach der Kündigung durch die BGB-Gesellschaft durchgeführt wird. Die Entscheidung des BGH, mit der das sogenannte Münchener Modell sanktioniert wird, wird zur Folge haben, dass der Bauträger in Zukunft regelmäßig die Aufteilung und die Übertragung des Eigentums von der gegründeten BGB-Gesellschaft auf den einzelnen Erwerber erst am Ende des mehraktigen Erwerbs- und Verwertungsprozesses vornimmt. Der Mieterschutz des § 577a BGB kann damit durch gezielt geschicktes Vorgehen des Bauträgers ausgehebelt werden. Dass hier eine vergleichbare Gefährdung des Bestandschutzinteresses des Mieters eintritt, verkennt auch der BGH nicht (Rn. 22). Das ist jedoch nach seiner Auffassung hinzunehmen. Der VIII. Zivilsenat des BGH, der für das Wohnungsmietrecht zuständig ist, hängt den Schutz des Mieters grundsätzlich sehr hoch. Das gilt beispielsweise insbesondere im Zusammenhang mit der umfangreichen Rechtsprechung des Senats zur Unwirksamkeit von Renovierungsklauseln und in diesem Zusammenhang auch mit der Gewährung von Bereicherungsausgleich bei tatsächlich erfolgter Renovierung trotz unwirksamer Dekorations-AGB (BGH, Urt. v. 27.05.2009 - VIII ZR 302/07 - NJW 2009, 2590; vgl. auch Lorenz, NJW 2009, 2576). Die ausdifferenzierte, aber extensive Klauselkontrolle des BGH verstärkt den Mieterschutz erheblich. Diese in der Literatur als „BGH-Tornado“ bezeichnete Rechtsprechung zu Renovierungsklauseln führt zu einer enormen Stärkung der Rechte des Mieters und einer entsprechenden Belastung des Vermieters (vgl. Beyer, NJW 2008, 2065). In bemerkenswertem Gegensatz zu dem bei Renovierungsklauseln extrem hoch angesetzten Mieterschutz steht die besprochene Entscheidung: Der Mieterschutz kommt im Zusammenhang mit Eigenbedarfskündigungen bei professionell gestrickten Bauträgermodellen m.E. zu kurz. Steht der hoch ausdifferenzierte und extrem ausgebildete Mieterschutz im Zusammenhang mit Renovierungsklauseln nicht in einem nur schwer zu begreifenden Wertungswiderspruch zur Verkürzung des Mieterschutzes bei Eigenbedarfskündigungen nach § 577a BGB (analog)? E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung Die Umkehrung der Reihenfolge der Verwertungsakte beim Münchener Modell sollte dem Schutzzweck des § 577a BGB und deshalb seiner analogen Anwendung m.E. – entgegen der Auffassung des BGH in der besprochenen Entscheidung – nicht entgegenstehen. |