jurisPR-BGHZivilR 4/2013 Anm. 1 Klageerhebung in WEG-Binnenstreitigkeiten
BGH 5. Zivilsenat, Urteil vom 14.12.2012 - V ZR 102/12 Leitsatz A. Problemstellung B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Im Schreiben wird erklärt, die Beschlüsse der Eigentümerversammlung würden zunächst zur Fristwahrung angefochten. Die Klage wurde dem Verwalter zugestellt. Mit einem Schriftsatz vom 29.06.2010 legte die Klägerin eine Eigentümerliste vor. Hinsichtlich eines Beschlusses hat das Erstgericht aufgrund der übereinstimmenden Erklärung der Parteien die Erledigung festgestellt. Im Übrigen folgte es der Klägerin und hielt den Großteil der angefochtenen Beschlüsse für unwirksam; hinsichtlich einiger weniger Beschlüsse wurde die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten änderte das Landgericht die Entscheidung: Es wies die Klage vollständig ab. Die Erfordernisse einer substantiierten Klage nach § 253 ZPO seien nicht erfüllt. Innerhalb der Anfechtungsfrist des § 46 Abs. 1 Satz 1 HS. 1 WEG hätten die Anfechtungsgegner genau bezeichnet werden müssen. Das Schreiben genüge den Anforderungen des § 253 Abs. 2 ZPO nicht, weil es nicht erkennen lasse, wer Gegner der Anfechtungsklage sei. Diese Auffassung teilt der BGH nicht. Er hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Anders als das Berufungsgericht geht der BGH davon aus, dass die Beklagten ordnungsgemäß bezeichnet sind. Als Teil einer Prozesshandlung sei eine Parteibezeichnung grundsätzlich auslegungsfähig. Dabei sei maßgebend, wie die Bezeichnung bei objektiver Deutung aus der Sicht der Empfänger (Gericht und Gegenpartei) zu verstehen ist. Bei objektiv unrichtiger oder mehrdeutiger Bezeichnung sei grundsätzlich davon auszugehen, dass die Partei gemeint ist, die erkennbar durch die Parteibezeichnung betroffen sein soll (BGH, Urt. v. 27.11.2007 - X ZR 144/06 - NJW-RR 2008, 582, 583, m.w.N.). Erhebt ein Wohnungseigentümer demgemäß eine Beschlussanfechtungsklage, ohne die beklagte Partei genau zu bezeichnen, sei grundsätzlich davon auszugehen, dass er die tatsächlich passiv legitimierten übrigen Wohnungseigentümer (§ 44 WEG) verklagen will. Zwar enthält im vorliegenden Fall die Klageschrift keine ausdrückliche Erklärung, gegen wen sich die Klage richtet. Es lässt sich jedoch unmissverständlich erkennen, dass Beschlüsse angefochten werden sollen, die in einer WEG-Versammlung gefällt wurden. Als Gegner der Beschlussanfechtungsklage kommen ernsthaft nur die übrigen Wohnungseigentümer in Betracht. Deshalb können nur sie – so der BGH – gemeint sein. Dabei genüge für die Spezifikation der beklagten Partei die Angabe des gemeinschaftlichen Grundstücks (§ 44 Abs. 1 Satz 1 WEG). Die Bezeichnung der beklagten Wohnungseigentümer sei dagegen nicht erforderlich. Sie könne bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nachgeholt werden. Im vorliegenden Fall werde in der Klageschrift das gemeinschaftliche Grundstück nach Postanschrift und nach Grundbucheintrag bezeichnet. Auch sei eine Liste der beklagten Eigentümer vor Schluss der mündlichen Verhandlung vorgelegt worden. Das reiche aus. Dass Name und ladungsfähige Anschriften der Beklagten erst nach Ablauf der Ausschlussfrist des § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG beigebracht worden seien, sei unschädlich. C. Kontext der Entscheidung In den genannten Entscheidungen hat der BGH ausführlich begründet, dass für die Wahrung der Anfechtungsfrist des § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG die Bezeichnung der beklagten Wohnungseigentümer innerhalb der Monatsfrist nicht erforderlich ist. Die Bezeichnung der Beklagten als „übrige Wohnungseigentümer“ ist ausreichend. Eigentlich folgt dies bereits aus der Formulierung des § 44 Abs. 1 Satz 2 WEG, der die Nachreichung der namentlichen Bezeichnung der Wohnungseigentümer bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erlaubt. Angesichts der Tatsache, dass bereits im Klageschriftsatz die Wohnungseigentümergemeinschaft als solche nach Adresse und Grundbuchblättern genau definiert und benannt ist und damit nach § 46 WEG objektiv feststeht, wer zur Wohnungseigentümergemeinschaft gehört und wer damit die übrigen Wohnungseigentümer sind, kann auch in Fällen fehlender Angaben der beklagten Wohnungseigentümer von einer ordnungsgemäßen Klageerhebung ausgegangen werden. Die Entscheidung überzeugt trotz der strikten Voraussetzungen, die § 253 ZPO für die Klageerhebung aufstellt. Auch Klageanträge sind auslegungsfähig. Aufgrund der gesetzlichen Vorschrift des § 46 WEG steht fest, dass sämtliche übrigen Wohnungseigentümer betroffen sind. Wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft innerhalb der Anfechtungsfrist des § 46 WEG nach Straße und Grundbuchblatt bezeichnet ist, muss das für die ordnungsgemäße Klageerhebung reichen. Sowohl bei fehlerhafter als auch bei unvollständiger Bezeichnung der Parteien in Binnenstreitigkeiten gilt Folgendes: Es liegt – bei entsprechender Richtigstellung der Partei – keine Parteiänderung vor, weil grundsätzlich diejenige Person als Partei anzusprechen ist, die erkennbar durch die Parteibezeichnung getroffen werden soll. Dies gilt auch bei Nachreichung einer aktuellen Eigentümerliste oder deren nachträglicher Korrektur auch noch in der Berufungsinstanz (BGH, Urt. v. 22.09.2011 - IX ZR 210/10; BGH, Urt. v. 08.07.2011 - V ZR 34/11; BGH, Urt. v. 20.05.2011 - V ZR 99/10; Geisler, AnwBl 2012, 854). D. Auswirkungen für die Praxis Die Entscheidung des V. Zivilsenats trägt der Darlegungsnot des Eigentümers in Bezug auf die Interpretation zulässiger Anfechtungsklagen in angemessener Weise Rechnung. Dass der BGH den Nöten klagender Wohnungseigentümer in der Praxis umfassend Rechnung trägt, belegt auch eine neue Entscheidung aus dem Dezember 2012 mit einer analogen Anwendung des § 142 ZPO: Bei einer Beschlussmängelklage muss das Gericht auf Anregung des Klägers der Verwaltung aufgeben, eine aktuelle Liste der Wohnungseigentümer vorzulegen und die Anordnung nach Fristablauf ggf. mit Ordnungsmitteln durchsetzen (§ 142 ZPO analog, BGH, Urt. v. 14.12.2012 - V ZR 162/11, m. Anm. Reinelt, jurisPR-BGHZivilR 4/2013 Anm. 2, in dieser Ausgabe). Die fehlende Bezeichnung der einzelnen Wohnungseigentümer kann auch im Berufungsrechtszug nachgeholt werden. Zwar ist – wie der BGH in jener Entscheidung festhält – die Einreichung der Eigentümerliste als Bestandteil der ordnungsgemäßen Klageerhebung grundsätzlich Sache des Klägers. Wenn er aber von der Verwaltung die Vorlage einer Liste verlangt, muss das Gericht analog § 142 Abs. 1 ZPO der Gegenseite (vertreten durch den Verwalter) die Einreichung dieser Liste aufgeben. Eine pflichtwidrige Untätigkeit des Verwalters kann nicht zulasten des klagenden Wohnungseigentümers gehen, denn der Kläger ist in der Regel auf eine solche Auskunft in Form der Liste angewiesen. Deshalb besteht ein praktisches Bedürfnis, die Vorlage der Liste durch den Verwalter herbeizuführen, ohne den Kläger auf einen weiteren Rechtsstreit gegen diesen oder auf eine einstweilige Verfügung zu verweisen. E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung |