jurisPR-BGHZivilR 30/2007 Anm. 3 Bürgschaft auf erstes Anfordern Leitsatz Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers, die einen Einbehalt zur Sicherung der Gewährleistungsansprüche vorsieht, der durch Bürgschaft auf erstes Anfordern abgelöst werden kann, ist auch dann unwirksam, wenn dem Auftragnehmer die Befugnis eingeräumt wird, die Hinterlegung des Sicherheitseinbehalts zu verlangen. A.
Problemstellung B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Die Nichtzulassungsbeschwerde blieb erfolglos. Der BGH verwies auf seine ständige Rechtsprechung, wonach Bürgschaften auf erstes Anfordern in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht wirksam vereinbart werden können. Wie bereits mehrfach entschieden, wird der Auftragnehmer unangemessen benachteiligt, wenn ihm kein angemessener Ausgleich dafür zugestanden wird, dass er den Werklohn nicht sofort ausbezahlt bekommt. Das Bonitätsrisiko für die Dauer der Gewährleistungsfrist dürfe – so die ständige Rechtsprechung des BGH – nicht auf den Auftragnehmer verlagert werden. Die Liquidität und die Verzinsung des Werklohns dürfen ihm nicht vorenthalten werden. Ein angemessener Ausgleich werde dem Auftragnehmer auch nicht dadurch gewährt, dass er Liquidität bezüglich des Einbehalts dadurch erlangt, dass er den Sicherheitseinbehalt durch die Bürgschaft auf erstes Anfordern ablöst. Denn diese Bürgschaft könne ohne weiteres in Anspruch genommen und dem Auftragnehmer dadurch die Liquidität wieder entzogen werden. Ein solcher Ausgleich sei auch nicht darin zu sehen, dass der Auftragnehmer die Möglichkeit habe, die Hinterlegung des Sicherheitseinbehalts durch den Auftraggeber zu verlangen. Denn die Hinterlegung führe nicht zur Liquidität beim Auftragnehmer. Da die Rechtslage bezüglich der Bürgschaften auf erstes Anfordern in diesem Zusammenhang umfangreich und umfassend geklärt sei, fehle es bezüglich der Nichtzulassungsbeschwerde an den Zulassungsvoraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO. Eine weitere Entscheidung des Revisionsgerichts sei nicht veranlasst. C.
Kontext der Entscheidung Die Bürgschaft auf erstes Anfordern ist deshalb für den Bürgen besonders riskant, weil für ihre Geltendmachung nur die formale Voraussetzung der Wirksamkeit der Bürgschaft und deren Anforderung zu prüfen sind. Alle nicht offensichtlichen oder liquide beweisbaren Einwendungen gegen die Inanspruchnahme werden in einen Rückforderungsprozess aus § 812 BGB verwiesen (BGH, Urt. v. 25.02.1999 - IX ZR 24/98 - NJW 1999, 2361; BGH, Urt. v. 03.04.2003 - IX ZR 287/99 - NJW 2003, 2231; Sprau in: Palandt, BGB, 66. Aufl. 2007, Einführung zu § 765 Rn. 14 m.w.N.). Die Rechtsmissbräuchlichkeit einer Inanspruchnahme ist nur in den seltensten Fällen bereits im ersten Prozess auf Inanspruchnahme der Bürgschaftssumme nachweisbar. Regelmäßig sind daher alle Einwendungen in den nicht als Urkundenprozess führbaren Rückforderungsprozess verwiesen. Dort erst werden dann die Voraussetzungen der materiellen Wirksamkeit der Bürgschaft geprüft. Diese für den Berechtigten bequeme Situation hat sich sukzessive verändert. Mit Beginn der 90er Jahre hat die Rechtsprechung des BGH der Bürgschaft auf erstes Anfordern jedenfalls in Allgemeinen Geschäftsbedingungen immer stärkere Fesseln angelegt. Bereits im Jahre 1990 hat der BGH entschieden, dass eine Bürgschaft auf erstes Anfordern nur von einem Kreditinstitut übernommen werden kann (BGH, Urt. v. 05.07.1990 - IX ZR 294/89 - Baurecht 1990, 608). Die Verlagerung des Insolvenzrisikos auf den Auftragnehmer und der Entzug der Liquidität für ihn wurden als Verstoß gegen das AGB-Gesetz und später gegen § 307 Abs. 1 und 2 BGB gesehen (BGH, Urt. v. 05.06.1997 - VII ZR 324/95 - BauR 1997, 829; BGH, Urt. v. 02.03.2000 - VII ZR 475/98 - Baurecht 2000, 1052). Hatte man früher noch angenommen, dass die unangemessene Benachteiligung beseitigt werden kann, wenn ein entsprechender Ausgleich gewährt wird wie zum Beispiel Einzahlung auf ein gemeinsames Sperrkonto (vergleiche dazu Kleine-Möller/Merl, Handbuch des Privaten Baurechts, 3. Aufl., § 12 Rn. 1341 m.w.N.), führt die zunehmend strenger werdende Rechtsprechung des BGH nun dazu, dass ein solcher Ausgleich weder durch die Möglichkeit einer Einzahlung auf ein Sperrkonto noch einer Hinterlegung bewirkt werden kann. Der Bürgschaftsgläubiger ist dabei nach heutiger Beurteilung erheblichen Risiken ausgesetzt. Ist nämlich die Sicherungsabrede wegen Verstoßes gegen § 307 BGB unwirksam, hat der Auftragnehmer keinerlei Anspruch auf Sicherheit. Eine geltungserhaltende Reduktion der Bürgschaft auf eine einfache selbstschuldnerische Bürgschaft ist nicht möglich (BGH Baurecht 2002, 894; OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.06.2003 - 23 U 234/02, I-23 U 234/02 - NJW 2003, 3716). Das bedeutet, dass die unwirksame Bürgschaft auf erstes Anfordern wertlos ist. Die Urkunde ist in diesem Fall herauszugeben (Kleine-Möller/Merl, Handbuch des Privaten Baurechts, 3. Aufl., § 12 Rn. 1341 m.w.N.). D.
Auswirkungen für die Praxis Gleichwohl wird man empfehlen müssen, auf die Bürgschaft auf erstes Anfordern ganz zu verzichten. Denn die Abgrenzung zwischen einer individualvertraglichen Vereinbarung und AGB-mäßigen Verwendung ist äußerst schwierig. Ob eine Klausel als Allgemeine Geschäftsbedingung an § 307 BGB zu messen ist oder ob eine Individualvereinbarung vorliegt, hat derjenige, der die Vereinbarung verwendet, darzulegen und zu beweisen. Er muss dabei das Gericht davon überzeugen, dass die Klausel „ernsthaft zur Disposition gestellt wurde“ (BGH, Urt. v. 25.06.1992 - VII ZR 128/91 - BB 1992, 1813; BGH, Urt. v. 03.12.1991 - XI ZR 77/91 - BB 1992, 169; BayOblG, Beschl. v. 07.11.1991 - BReg 3 Z 120/91 - BB 1992 226). Ob eine vertragliche Formulierung „ernsthaft zur Disposition gestellt“ ist oder nicht, lässt sich kaum zuverlässig beurteilen und schon gar nicht bei vorsorgender Rechtsberatung sicher prognostizieren. Dieses Merkmal hat keinen eindeutig definierbaren Inhalt (vergleiche dazu Reinelt, Irrationales Recht, ZAP-Sonderheft für Egon Schneider 2002, Seite 52 III). Der anwaltliche Berater unterliegt daher bei einer Vertragsgestaltung, bei der die Bürgschaft auf erste Anforderung empfohlen und einbezogen wird, einem beträchtlichen Haftungsrisiko. „Timeo Danaos et donas ferentes“ – ich fürchte die Danaer, auch wenn sie Geschenke bringen. Das „Geschenk“ für den Bürgschaftsberechtigten, der vermeintliche Vorteil einer Bürgschaft auf erstes Anfordern, enthüllt sich vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BGH schnell als Trojanisches Pferd im Rechtsverkehr. E.
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