ZAP Nr 12, 2012,Fach 23, S. 941
Freude am Anwaltsberuf? Ungefähr 80 % der Absolventen der 2. Juristischen Staatsprüfung werden Anwältin oder Anwalt, in den meisten Fällen wohl nicht aus Neigung, sondern aus Notwendigkeit, ist der Anwaltsberuf doch der einzig typische juristische Beruf, der keinerlei weitere Zugangsvoraussetzungen oder –beschränkungen hat. Wenn man sich dem Ende seines Berufslebens nähert, blickt man öfter zurück mit der Frage, habe ich mich denn – auch was den Beruf angeht – richtig entschieden? I. Berufswahl und Berufsstart Jeder Mensch, auch jeder Jurist hat Prioritäten bei Wertentscheidungen. Mir schien es besonders wichtig, möglichst bald unabhängig und frei leben und meinem Beruf nachgehen zu können. Auch hatte ich eine idealistische, wenngleich vage Vorstellung davon, dass es nicht nur, wie bei RUDOLF VON IHERING Ende des vorletzten Jahrhunderts um den „Kampf ums Recht“, sondern auch um „Gerechtigkeit“ gehen könnte. Also wurde ich Anwalt. In den ersten sechs Monaten meines Berufslebens schien sich meine Wunschvorstellung als Illusion zu entpuppen: Ich geriet in eine Münchener Großkanzlei, die wie ein absolutistisches Fürstentum vom Senior dominiert wurde, ganz nach dem Grundsatz eines bekannten Münchener Öffentlich-Rechtlers, der mir – im breiten Schwäbisch – erklärte: „Eine Kanzlei können Sie nur führen mit Unterdrückung und Intrige.“ Sonntagvormittags ins Büro des Seniors zum obligatorischen Weißwurstfrühstück einbestellt, versuchten die Kollegen legere Souveränität dadurch zu demonstrieren, dass sie statt der üblichen Krawatten im geöffneten Hemdkragen Seidentücher trugen. Beflissen lauschten sie den Erfolgsgeschichten des Seniors und lachten pflichtschuldig über seine sich wiederholenden Herrenwitze. Das unerfreuliche Zwischenspiel beendete ich noch in der Probezeit Mitte des Jahres 1972. Seitdem habe ich selbstständig gearbeitet. Ich denke, es ist ein Fehler, wenn man Rechtsanwälte zu gängeln und klein zu halten versucht. Sie sind nur dann wirklich gute und kompetente Vertreter des Mandanten, wenn sie eigenverantwortlich arbeiten können. Sie müssen unmittelbaren Kontakt zum Mandanten haben, als Prozessanwalt müssen sie selber an die Front und derjenige, der nur intern zuarbeitet, wird sich nur im Ausnahmefall zu einer Persönlichkeit entwickeln, wie man sie sich als Anwalt wünscht. Es ist kein Wunder, wenn Kanzleien, die grundsätzlich keine Partnerschaftsangebote machen, ständig neue junge Juristen suchen müssen. Denn wer mit Leib und Seele Anwalt ist, lässt sich nicht auf Dauer im Hinterzimmer halten. Ich habe oft die Erfahrung gemacht, dass sich hochqualifizierte Juristen aus Großkanzleien bei unserer Instanzkanzlei beworben haben, weil ihnen der direkte Kontakt zum Mandanten und die eigene Verantwortung versagt worden sind. Schon beim Einstellungsgespräch können sich für den jungen Anwalt interessante Perspektiven eröffnen, z. B. wenn der Bewerber danach fragt, wie viele Anwälte in der Kanzlei eigentlich Partner sind. Je höher die Zahl der Partner im Verhältnis zum Gesamtzahl der Anwälte, desto größer die Chance, dass eigenverantwortliches Arbeiten nicht nur gestattet, sondern gewünscht wird und man auch die Chance hat, aus abhängigen Anstellungsverhältnissen in die Partnerschaft hineinzuwachsen. II. Freude am Anwaltsberuf
Angesichts dieses Bildes vom Anwalt, der beliebig von einer Position zur anderen hin und her springt (aber unser „wahres Behagen sei“ – frei nach GOETHES Pandora – „Parteilichkeit“), ist es eigentlich überraschend, dass der Anwalt in der vom Meinungsinstitut in Allensbach erstellten Berufsprestige- Skala immer noch relativ weit oben rangiert, wenn auch weit hinter dem Feuerwehrmann und dem Arzt. Am 1. 1. 2012 waren in Deutschland über 158.000 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zugelassen. Der Zustrom hält weiter an ebenso wie der erhebliche Umsatzdruck (HUFF, LTO Legal Tribune ONLINE v. 29. 3. 2012). Der Frauenanteil liegt bei knapp 33 % mit steigender Tendenz. Meine letzte Vorlesung besuchten Studentinnen zu ¾, Studenten nur zu ¼. Das Umsatzvolumen der gesamten Anwaltschaft beträgt ca. 19 Milliarden € netto, wobei 40 % von wenigen großen unter den rund 45.000 Kanzleien erwirtschaftet wird. Der Durchschnittsumsatz eines Anwalts liegt insgesamt bei rund 100.000 € im Jahr bei einer Kostenquote von rund 50 %. Anwälte – so HUFF – müssen weiterhin sehr genau schauen, wie sie ihr Geld verdienen. Mit einem Achtstundentag und freien Wochenenden ist es meist nicht getan. Dennoch bietet der Beruf auch heute für engagierte Anwältinnen und Anwälte noch wirtschaftlich interessante Perspektiven. Manchmal beneiden wir die Richter: Sie haben das letzte Wort und die maßgebende Entscheidung. Aber: Sie sehen aus der Fülle der erlebten Vorgänge nur einen kleinen Ausschnitt, den sie zu beurteilen haben. Der Vorteil des Anwalts: Er erlebt und erfährt die ganze Fülle des Geschehens und begleitet – nicht immer, aber häufig – den seiner juristischen Beurteilung unterliegenden Lebenssachverhalt vom Anfang bis zur Entscheidung und Durchsetzung des Rechts am Ende. Dabei sind die Fallgestaltungen so vielfältig wie das Leben. Noch nach Jahrzehnten wird man mit Lebenssachverhalten konfrontiert, die überraschend neu und immer wieder spannend sind. Das hält lebendig und macht Freude am Anwaltsberuf. III. Kriterien für den Erfolg des Anwalts Ein entscheidendes Kriterium für den Erfolg eines Anwalts ist das Arbeitstempo. Der Anwalt muss den Sachverhalt, den der Mandanten ihm unterbreitet, schnell erfassen, unter rechtlichen Gesichtspunkten gliedern und dann rasch handeln (entweder in Richtung auf Verhandlung oder in Richtung auf gerichtliche Auseinandersetzung). Natürlich darf die Schnelligkeit nicht auf Kosten der Sorgfalt gehen. Das gebietet schon die Vermeidung der enormen Haftungsrisiken, denen die Anwälte – nicht zuletzt aufgrund der überscharfen, geradezu einer Gefährdungshaftung angenäherten – Haftungsrechtsprechung ausgesetzt sind. Dem Anwalt wird bekanntlich bei Meidung einer haftungsrechtlichen Verantwortung eine Fülle nahezu unabsehbarer Sorgfaltspflichten auferlegt. Früher gab es noch eine Judikatur, die besagte: Die Beratung eines Anwalts kann nicht schuldhaft falsch sein, wenn sie übereinstimmt mit einer durch ein Kollegialgericht getroffenen Entscheidung. Dieser Grundsatz ist längst aufgegeben. Rechtlicher Irrtum eines Rechtsanwalts oder unsorgfältige Ermittlung von Tatsachen beruhen nahezu immer auf seinem Verschulden, von dem er sich nicht exkulpieren kann. Besonders krass ist die Haftung des Rechtsanwalts für Fehler des Gerichts. Die enormen Sorgfaltspostulate machen es notwendig, dass der Rechtsanwalt einerseits schnell, andererseits mit höchster Genauigkeit arbeitet. Das führt zu einer erheblichen zeitlichen, ggf. sogar gesundheitlichen und psychischen Belastung, der man nur mit einem gesunden Naturell gewachsen ist. Ganz entscheidend für die Akzeptanz der Anwaltsarbeit und deren Erfolg ist: Innerhalb kurzer Zeit muss nicht nur das Mögliche, sondern das Optimale getan und dem Mandanten vermittelt werden. Dazu gehört auch, dass man niemals Fristen bis zum Ende ausschöpfen sollte. Auch der Mandant muss schnell und zuverlässig bedient werden. Wenn er etwa telefonisch Fragen hat, die nicht sofort beantwortet werden können, erwartet er mit Recht kurzfristige rasche Rückmeldung. Ich habe es am Anfang meiner Berufstätigkeit selber erlebt: Telefonischen Fragen des Mandanten ausgesetzt, traut man sich nicht, die Beantwortung einer Frage abzulehnen und auf einen Rückruf zu verweisen. Man gibt u. U. auch unzutreffende Antworten, um nicht offenbaren zu müssen, dass man die Antwort eben nicht mit Sicherheit weiß. Dann gehört es aber zur Verantwortung des Rechtsanwalts, unmittelbar nach dem Telefonat die Frage zu klären und ggf. durch einen sofort erfolgenden Rückruf einen eventuellen Fehler in der telefonischen Aussage zu korrigieren. Ein anderes Verhalten beeinträchtigt nachhaltig – wie auch etwa lange Wartezeiten für den Mandanten vor einer Besprechung – die Akzeptanz anwaltlicher Leistungen. Das Berufsbild der anwaltlichen Tätigkeit kann sehr unterschiedlich sein, vergleicht man etwa den beratenden Anwalt einer Großkanzlei mit dem Einzelkämpfer vor Gericht. Für beide ist aber wichtig: Sie müssen die Fähigkeit haben, sich unverzüglich auf neue Situationen einzustellen und dann schnell zu entscheiden. Eine wichtige Fähigkeit ist die rasche Umsetzung von Erkenntnis in Handeln. Der typische Bedenkenträger ist in anderen Berufen besser aufgehoben.
Eher geeignet für die Anwaltschaft ist jemand, der sich selbst und seine Position auch einmal von außen betrachten kann und über den Tellerrand hinaus schaut. Er ist im Vorteil gegenüber demjenigen, der sich bemüht hat, alle Fallgestaltungen aus den Skripten von Repetitorien auswendig zu lernen, um dann in der Prüfung und später auch in der Praxis zu entdecken, dass es Fälle gibt, mit denen er sich noch nie befasst hat. Der Anwalt muss flexibel in der Lage sein, sich auf Neues einzustellen und einzulassen, die juristische Struktur neuer Sachverhalte rasch zu erfassen und – sei es in der Beratung sei es im Prozess – rasch und sicher die notwendigen Entscheidungen zu treffen oder dem Mandanten anzuraten. Dem Druck des Anwaltsberufs ist nur eine psychisch gefestigte Persönlichkeit gewachsen. Dass viele Anwälte an diesen Herausforderungen scheitern, zeigt sich bereits daran, dass ein großer Teil der Berufsanfänger nach kurzer Zeit die Anwaltszulassung wieder zurückgibt. Vielleicht wissen sie nicht, was sie im Anwaltsberuf wirklich erwartet, vielleicht war auch der Druck zu groß. Auf der Homepage des Bundesgerichtshofs kann man fast täglich Entscheidungen nachlesen, die sich damit befassen, dass Rechtsanwälte vergeblich um die Wiedererlangung einer entzogenen Zulassung kämpfen, sei es wegen Vermögensverfalls, nicht unterhaltener Haftpflichtversicherung oder wegen gesundheitlicher – wohl meist psychischer – Probleme. Wer sich in den Anwaltsberuf wagt, muss deshalb mit einer stabilen physischen und psychischen Gesundheit begnadet sein. Anwaltsarbeit hat auch psychologische Aspekte: Was ein Anwalt tut, muss er bestmöglich verkaufen. Das macht den Erfolg der anwaltlichen Tätigkeit zu ganz wesentlichen Teilen aus. Es gibt Anwälte, die sich hervorragend verkaufen, ohne etwas zu wissen. Es gibt Anwälte, die viel wissen, sich aber nicht verkaufen können. Beides ist von Übel. Das Erstere ist natürlich noch schlimmer für den Mandanten. Es ist wichtig für den Anwalt, zu lernen und ständig zu verbessern, wie er mit Mandanten umgeht, wie er mit Richtern umgeht und wie er den Gegner behandelt. Das bedeutet nicht, dass er ein Meister der Mediation sein muss. Aber er sollte sich psychologisches Feingefühl für den Umgang mit Beteiligten erarbeiten. Anwaltstätigkeit hat schließlich auch eine kaufmännische Seite. Der Anwalt ist kein selbstloser Beglücker und Versorger des Mandanten, sondern er will von seiner Berufstätigkeit leben. Er stellt seine Arbeitskraft nicht wie ein Ministerialbeamter oder Richter (scheinbar) altruistisch in den Dienst des Staates, sondern er will verdienen. Sein Erfolg schlägt sich im Umsatz oder im Gewinn nieder. Das bedeutet: Er muss die Kanzlei so strukturieren und führen, dass sie wirtschaftlich möglichst erfolgreich arbeitet. Er darf nicht vergessen, dass Akquisition wesentlicher Bestandteil anwaltlicher Tätigkeit ist. Die Fähigkeiten hierzu sind natürlich sehr unterschiedlich ausgeprägt. Die Möglichkeit des Anwalts, für seine Tätigkeiten zu werben (§ 43b BRAO, § 6 BORA), ist in den letzten Jahrzehnten seit den Bastille-Entscheidungen des BVerfG v 14. 7. 1987 und seit dem Inkrafttreten der Berufsordnung am 11. 3. 1997 wesentlich erleichtert worden. Gegenüber den früheren strikten Standesrichtlinien gibt es hierfür ein weites Feld. Gleichwohl bleibt die Empfehlung (Mundpropaganda) der erfolgreichste Weg der Akquisition von Mandaten. Gibt es für die Anwaltstätigkeit auch eine ethische Seite? Die Ethik des Juristen ist heute wieder ein modern gewordenes Thema. Das anwaltliche Selbstverständnis vom freien Beruf als Wahrer übergeordneter Gemeinwohlinteressen hat sich verschoben zum gewinnorientierten Dienstleister. Die enorme Zunahme der Anwaltszahlen (auch wenn die Kurve in den vergangen Jahren etwas abgeflacht ist) führt zu einer erheblich verschärften Konkurrenzsituation und damit auch zu einem deutlich raueren Ton der Anwälte untereinander. Das bringt gelegentlich eine Vernachlässigung berufsrechtlicher Pflichten mit sich. Um dem zunehmenden Sittenverfall zu begegnen, plädiert ein Teil der Anwaltschaft für einen eigenen Ethik-Kodex (vergleiche zur Diskussion über die Frage statt vieler GROSS, Festschrift für WELLENSIEK zum 80. Geburtstag, S. 889 – „Ethik des Gesetzes oder Ethik der Meinungen – Brauchen Rechtsanwälte ethische Grundregeln?“). Es geht dabei um die Frage, ob der Anwalt einem Ethos verpflichtet werden muss oder ob man sich darauf verlassen kann, dass die entsprechende Tugend trotz aller Kommerzialisierung des anwaltlichen Berufs auch ohne Kodifizierung Gültigkeit behält. Ich glaube nicht, dass die Statuierung ethischer Regeln für das Niveau anwaltlicher Tätigkeit entscheidende Bedeutung hat. Wichtig scheint jedoch in der Diskussion, dass die Anwaltschaft offener mit dem Thema Ethik umgeht und seine Bedeutung für die Zukunft des Anwaltsberufs erkennt. Der Anwalt, der mit sich selbst im Einklang lebt, hat – auch ohne Niederlegung eines Kodex – gewisse Grundsätze, zu denen er steht. Dazu gehört Distanzierungsfähigkeit gegenüber dem Mandanten, wenn ethische oder gar strafrechtliche Grenzen erreicht werden. Der Anwalt muss sich davor hüten, am Prozessbetrug des Mandanten mitzuwirken oder muss diesen zu verhindern versuchen. Ihn trifft die Verpflichtung, wahrheitsgemäß vorzutragen und den Mandanten entsprechend zu raten. Am Anfang des Berufslebens neigt man als Anwalt dazu, sich von Richtern häufig in eine bestimmte Ecke drängen zu lassen. So habe ich es erlebt, dass erfahrene Richter junge Anwälte zur Klagerücknahme, zu Anerkenntnissen oder zu völlig sinnlosen Vergleichen genötigt haben. Besonders absurd wird der Vergleichsdruck, den Richter oft ausüben, wenn mit den immensen Kosten gedroht wird, die im Falle des Weiter-Prozessierens entstehen, insbesondere, wenn Rechtsschutzversicherungen eingeschaltet sind und deshalb die entsprechende Drohung dem Mandanten vollständig gleichgültig ist. Dem jungen Anwalt kann nur der Rat erteilt werden, grundsätzliche keine irreversiblen Prozesshandlungen (wie Klagerücknahme, Anerkenntnis, Verzicht, unwiderruflicher Vergleich) ohne die Zustimmung des Mandanten vorzunehmen und einen eventuellen Vergleich stets nur widerruflich abzuschließen, um Details mit der Partei, ggf. der Rechtsschutzversicherung oder auch erfahrenen Kollegen abklären zu können. Im Laufe der Zeit wird der junge Anwalt ein Fingerspitzengefühl dafür entwickeln, mit welcher Art Vortrag des Vortrags – sei es im Schriftsatz, sei es in der mündlichen Verhandlung – bei welchem Richter Erfolg zu erzielen ist. So empfiehlt es sich etwa bei Richtern, die ihre richterliche Unabhängigkeit am besten auf dem Golf- oder Tennisplatz verwirklicht sehen, die Position des Mandanten so aufzubauen, dass dem Richter ein bequemer Einstieg zur kurzfristigen und einfachen Erledigung des Rechtsstreits angeboten wird (z. B. Verjährung). Allerdings: Der Anwalt muss den sichersten Weg gehen. Das bedeutet auch: Jedes denkbare Angriffs- oder Verteidigungsmittel muss ausgeführt werden. Der Sachvortrag des Beklagtenvertreters darf deshalb nicht auf eine Verteidigungsschiene beschränkt werden. Für den Fall, dass dem ersten Weg nicht gefolgt wird, empfiehlt es sich, eine Hindernisstrecke mit zahlreichen Hürden aufzubauen, die dem Richter klar macht, dass er – folgt er der ersten vorgeschlagenen Alternative nicht – längere Zeit dem Golf- oder Tennisspiel wird entsagen müssen. Bei klar und dogmatisch denkenden Richtern – solche gibt es in der Tat auch, beim BGH sind sie erfreulicherweise die Regel – empfiehlt es sich, Schriftsätze klar gegliedert und strikt logisch aufzubauen (im Übrigen – wenn auch leider nicht sehr verbreitet – ohnehin kein Nachteil). Hat der Richter hingegen eine mehr menschelnde oder pastorale Attitüde, dann ist es richtig, ihn ausführlich plaudern zu lassen und seine Bemühungen um seine einvernehmliche friedliche Lösung des Rechtsstreits zu loben. Schließlich gibt es Richter, die gerade auch junge Anwälte von oben herab abkanzeln. Je weniger souverän eine Richterpersönlichkeit ist, desto mehr muss sie sich auf die Autorität des Amts zurückziehen. Solche Richter haben auch eine Scheu davor, mit Parteivertretern zu telefonieren und fürchten dann – zu Unrecht – oft, sich der Besorgnis der Befangenheit auszusetzen. Was im Übrigen die Befangenheit von Richtern angeht: Da die Ablehnung nach § 42 ZPO in der Praxis so gut wie nie erfolgreich ist (eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus), muss man sich auch mit Richtern arrangieren, die man für befangen hält oder vergeblich abgelehnt hat. Allerdings scheint es mir in allen Fällen wesentlich, Dominierungsversuchen von Richtern entgegenzutreten, in der Sache klar und hart zu bleiben und seine Meinung deutlich zu äußern. Nur dann findet man auf Dauer einen adäquaten Verhandlungsmodus mit Richtern. Nach einer mündlichen Verhandlung sollte unbedingt – auch zur eigenen Absicherung –, selbst wenn der Mandant im Termin anwesend war, ein Terminsbericht geschrieben werden, in dem der wesentliche Inhalt der Verhandlung zusammengefasst wird. Häufig dauert der Versand der Protokolle außerordentlich lang. Manchmal enthalten die Protokolle auch Unrichtigkeiten. Auch kommt es vor, dass in späteren, anderen Auseinandersetzungen die Abgabe von Erklärungen im Termin von Bedeutung sein können. Auch für solche Fälle ist es hilfreich, einen Terminsbericht sofort im Anschluss an die Verhandlung zu diktieren. Dasselbe gilt im Übrigen auch für den Inhalt wichtiger Telefongespräche mit Mandanten, Gegnern oder auch Richtern, die zweckmäßigerweise in entsprechenden Aktennotizen festgehalten werden. Einige – häufig sehr kompetente – Richter haben die Angewohnheit, vor dem Termin mit den beiden Parteien je getrennt zu telefonieren und auf das Eine oder Andere hinzuweisen, das gegebenenfalls noch vorzutragen oder beizubringen ist. Auch wenn diese Praxis von manchen Kollegen beanstandet wird, führt sie doch i. d. R. zu einer sachgerechten Aufbereitung des Verfahrens. Gerade Richter, die für pragmatische und sinnvolle Lösungen kämpfen, bevorzugen ein solches, in der Zivilprozessordnung nicht vorgesehenes Verfahren. Auf diese Weise werden Prozesse rasch und zügig vorangebracht. Leider lehrt die Praxis, dass in vielen Fällen Verfahren sich über Jahre von Termin zu Termin hinschleppen. Ob die neue gesetzliche Regelung zum Schutz vor überlangen Verfahren hier Abhilfe schaffen kann, scheint mir fraglich zu sein. Im Jurastudium werden Gewinnung und Sicherung von Tatsachenaussagen kaum gelehrt. Der Sachverhalt ist zu jedem Übungsfall fertig vorgegeben. Was den Sachverhalt angeht, kann ein Problem nur darin bestehen, diesen richtig zu erfassen und in jedem Fall darauf zu achten, ihn bei der juristischen Bearbeitung nicht zu verändern (Tatbestandsquetsche).
IV. Schlussbetrachtung Habe ich mich für den richtigen Jura-Beruf entschieden? Ich kann die Frage uneingeschränkt bejahen. Abgesehen von den ersten schnell vergessenen sechs Monaten in der Münchener Großkanzlei habe ich es nicht einen einzigen Tag bereut, Anwalt zu sein. Freude am Beruf: Ich hatte sie in vielen Jahren der Tätigkeit als Instanzanwalt und habe sie noch in meiner jetzigen Tätigkeit als Rechtsanwalt beim BGH, die die Chance bietet, gegenüber der früheren vita activa stärker überzugehen zur vita contemplativa. Das bedeutet für den anwaltlichen Berufsalltag eine veränderte Art der Tätigkeit, die – ähnlich derjenigen in der Studentenzeit – eher dem entspricht, was wir gemeinhin als wissenschaftliches Arbeiten in der Jurisprudenz zu bezeichnen uns angewöhnt haben. Den Anwaltsberuf in dieser Weise im Kreis von – derzeit – 37 Kolleginnen und Kollegen ausüben zu dürfen, ist zum Abschluss eines anwaltlichen Berufslebens noch einmal eine ganz besondere Freude. |