NJW 1984, 2869

Der Räumungsschutz des gutgläubigen Untermieters

RA Dr. Ekkehart Reinelt, München

 

I. Die Rechtsprechung des BGH

Wenn der Eigentümer das Mietverhältnis über Räumlichkeiten gegenüber dem Mieter berechtigt kündigt, kann er gem. § 556 III BGB und § 985 BGB grundsätzlich auch vom Untermieter Räumung und Herausgabe der Mietsache verlangen. Gegenüber dem Räumungsverlangen des Eigentümers kann sich der Untermieter grundsätzlich nicht auf ein Recht zum Besitz aufgrund des mit dem Zwischenmieter geschlossenen Mietvertrages berufen. Mit Beschluß vom 21. 4. 1982 (NJW 1982, 1696), hat der BGH jedoch - um den Untermieter nicht schutzlos zu lassen - in einem Ausnahmefall entschieden: Wenn der Untermieter bei Vertragsabschluß keine Kenntnis davon hat, daß die Wohnung seinem Vertragspartner nicht gehört, ist der Eigentümer nach § 242 BGB gehindert, den Räumungsanspruch durchzusetzen.

Die Fallkonstellation tritt häufig bei Wohnungen auf, die im Bauherrenmodell errichtet werden: Zwischen dem Bauherrn und einem gewerblichen Zwischenmieter wird - in der Regel als befristetes Mietverhältnis auf 5 Jahre, gegebenenfalls mit Verlängerungsmöglichkeit - ein Mietvertrag abgeschlossen, der sich nach den Regeln über Gewerberaummiete richtet. Der Zwischenmieter hat nach dem Inhalt des Vertragsverhältnisses mit dem Eigentümer = Bauherrn die Befugnis zur geschäftlichen und gewerbsmäßigen Weitervermietung. Der gewerbliche Zwischenmieter vermietet dann - häufig ohne daß der Endmieter seine Untermieterstellung erkennt - die Wohnung im eigenen Namen aufgrund eines Wohnraummietverhältnisses weiter. Kommt es zur vorzeitigen Beendigung des Mietverhältnisses zwischen Eigentümer und gewerblichem Zwischenmieter, z. B. weil das Hauptmietverhältnis vom Eigentümer berechtigterweise wegen Nichtzahlung der Miete durch den gewerblichen Zwischenmieter gekündigt wird, entsteht grundsätzlich der Räumungsanspruch nach § 556 III BGB gegenüber dem Untermieter, dem aber in dem besonderen dem Rechtsentscheid des BGH zugrunde liegenden Fall die Durchsetzung nach Treu und Glauben versagt ist.

Der Untermieter kann sich ausnahmsweise nach § 242 BGB gegenüber dem Räumungsverlangen des Eigentümers auf Räumungsschutz berufen, wenn entweder Eigentümer und Hauptmieter in kollusivem Zusammenwirken versuchen, den Rechtsschutz des Untermieters zu unterlaufen, oder aber sich der Untermieter gutgläubig für einen Hauptmieter hält. Nach welchen Regeln sich nun im einzelnen das Rechtsverhältnis zwischen dem Eigentümer und dem Untermieter bestimmt, wenn der Untermieter die Durchsetzung des Räumungsanspruchs verhindern kann, hat der BGH im einzelnen nicht entschieden. Er hat lediglich ausgeführt:

"Auch für die weiteren Ansprüche, die sich zwangsläufig daraus ergeben, daß der Untermieter trotz Beendigung des Hauptmietvertrages die Mietsache weiter nutzt, ist jedenfalls § 242 BGB Rechtsgrundlage, solange der Gesetzgeber hierzu keine ausdrückliche Regelung getroffen hat."

II. Rechtsgrundlage der Abwicklung

Geht man weiterhin von einem vertragslosen Zustand zwischen Eigentümer und Untermieter aus, so bestimmen sich die Rechtsfolgen entweder nach den Regeln über das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (§ 985 ff.) oder der ungerechtfertigten Bereicherung ( § 812 ff. BGB). Nachdem aber - infolge der berechtigten Berufung auf § 242 BGB - der Untermieter mit Recht gegenüber dem Eigentümer besitzt ( § 986 BGB), passen auf das Rechtsverhältnis die Vorschriften der §§ 987 ff. BGB zunächst nicht unmittelbar, weil diese nur die Ansprüche des Eigentümers gegen den unrechtmäßigen Besitzer regeln. Auch § 988 BGB, der das Verhältnis zwischen Eigentümer und unentgeltlichen Besitzer (gegebenenfalls in analoger Anwendung auch rechtsgrundlosen Besitzer) zum Gegenstand hat, ist auf dieses Verhältnis mindestens nicht direkt anwendbar. Für einen dem Eigentümer gegenüber zum Besitz berechtigten Besitzer gilt grundsätzlich die gesetzliche und vertragliche Sonderregelung (Palandt-Bassenge, BGB, Vorb. § 987 ff. Anm. 1a bb). Ob §§ 987 ff. BGB analog zur Lückenfüllung herangezogen werden können oder nicht, ist strittig (vgl. Palandt-Bassenge, aaO).

Würde man §§ 987 ff. BGB - analog - anwenden, könnte der Eigentümer Nutzungsentschädigung aufgrund der Gebrauchsvorteile verlangen. Die Höhe der Nutzungsentschädigung richtet sich - da vertraglich nicht bestimmt - nach dem üblichen und objektiven Gebrauchswert der Wohnung. Dieser kann unter Umständen niedriger oder höher sein als der Mietzins, der seinerzeit zwischen gewerblichem Zwischenmieter und Untermieter vereinbart worden war. Anders als im ursprünglichen Mietvertrag vorgesehen, würde darüber hinaus die Fälligkeit des Mietzinses nicht mehr anfangs des Monats eintreten, die Fragen einer eventuellen Überlassung an Dritte, das Problem der vertragsgemäßen Instandhaltung der Mietsache durch Vermieter oder Mieter, die Verpflichtung zur Duldung von Instandhaltungs- oder Verbesserungsmaßnahmen, der Erhöhung oder Ermäßigung von Mietzins etc. wären sämtlich ungeregelt, eine Situation, die die Möglichkeit zahlloser und in den Ergebnissen nicht prognostizierbarer Auseinandersetzungen in sich bergen würde.
Die Vorschriften der §§ 987 ff. BGB, die ohnehin nicht direkt, allenfalls analog gelten könnten, regeln das Verhältnis zwischen Eigentümer und gutgläubigem Untermieter nicht sachgerecht. Diese Bestimmungen befassen sich mit einem typischen Abwicklungsverhältnis, nicht mit einem fortbestehenden Dauerschuldverhältnis.

Die gleichen Schwierigkeiten bestehen bei einer Anwendung der §§ 812 ff. BGB: auch die bereicherungsrechtlichen Vorschriften sind auf die Abwicklung der jeweiligen Herausgabepflichten abgestellt und passen ebensowenig wie die Eigentümer-Besitzer-Regelungen für die Regelung eines fortbestehenden Dauerschuldverhältnisses.

Der Sinn der Entscheidung des BGH besteht darin, den Untermieter in den genannten Ausnahmefällen, in denen er sich nicht über die vertragliche Situation im klaren ist, ausnahmsweise nach Treu und Glauben nicht schlechter zu behandeln als einen Hauptmieter. Solche Fälle führen dann - wenn man die Entscheidung des BGH anwendet - nicht zu einer sofortigen Abwicklung gegenseitiger Rechtsbeziehungen, sondern begründen für den gutgläubigen Untermieter eine nach mietrechtlichen Vorschriften bestandskräftige Position in der Art eines Dauerschuldverhältnisses.

Eine Anwendung der Grundsätze der BGH-Entscheidung kann und darf aber nicht dazu führen, die Rechtsstellung des Untermieters gegenüber dem Eigentümer im Vergleich zur vorherigen vertraglichen Situation, in der sich der Untermieter dem Hauptmieter gegenüber befand, auf dem Rücken des Eigentümers zu verbessern. Insbesondere ist nicht einzusehen, warum sich der Untermieter im Verhältnis zum Eigentümer - wenn er schon Kündigungsschutz genießt - nicht an die gleichen vertraglichen Verpflichtungen soll halten müssen, die er gegenüber dem gewerblichen Zwischenmieter hatte. Stellt man sich auf den Standpunkt, daß der Untermieter ausnahmsweise Kündigungsschutz genießen muß, weil er nach Treu und Glauben wie ein vertraglicher Mieter zu behandeln ist, dann muß er umgekehrt - insoweit Korrelat einer Inanspruchnahme von Kündigungsschutz aus Treu und Glauben - auch dazu verpflichtet sein, sämtliche Konditionen des ursprünglich zwischen ihm und dem gewerblichen Zwischenmieter abgeschlossenen Mietvertrages seinerseits zu erfüllen. Sonst träte die absurde Folge ein, daß der Vermieter, der dem gewerblichen Zwischenmieter mit Recht gekündigt hat, seinerseits den Untermieter nicht zur Räumung bringen kann, weil dieser Kündigungsschutz - also eine Rechtsfolge entsprechend einem vertraglichen Schuldverhältnis - in Anspruch nimmt, sich aber andererseits beliebig über die Konditionen der vorherigen mietvertraglichen Verpflichtungen hinwegsetzen könnte.

Wenn der - freilich häufig strapazierte - Grundsatz von Treu und Glauben nach Auffassung des BGH dem gutgläubigen Untermieter Räumungsschutz verleiht und damit im Verhältnis zum Eigentümer eine quasivertragliche Position verschafft, entspricht es einerseits dem Gebot ausgleichender Gerechtigkeit, andererseits demjenigen der prognostizierbaren Rechtssicherheit, aus § 242 BGB für das Verhältnis zwischen Eigentümer und gutgläubigem Untermieter folgende Grundsätze zu entwickeln:

Der Eigentümer hat ab dem Zeitpunkt der Beendigung des gewerblichen Zwischenmietverhältnisses einen Anspruch auf Zahlung des Mietzinses, den der Untermieter an den gewerblichen Zwischenmieter bezahlt hat.

Dem gewerblichen Zwischenmieter gegenüber schuldet der gutgläubige Untermieter vom Zeitpunkt der wirksamen Beendigung des Rechtsverhältnisses zwischen Eigentümer und gewerblichen Zwischenmieter keinen Mietzins mehr, weil der gewerbliche Zwischenmieter nicht mehr in der Lage ist, dem Untermieter den Gebrauch der Sache zu gewähren und aufgrund dieser Unmöglichkeit der Gebrauchsgewährung nach § 275 BGB auch keinen Mietzins mehr verlangen kann.

Hat jedoch der Untermieter in Unkenntnis der Beendigung des Mietverhältnisses an den gewerblichen Zwischenmieter Miete weiter bezahlt, kann der Eigentümer nach dem Rechtsgedanken der §§ 412, 407, 242 BGB insoweit vom gutgläubigen Untermieter keine zusätzliche Zahlung verlangen.

Kennt der gutgläubige Untermieter die wirksame Beendigung des Rechtsverhältnisses zwischen Eigentümer und gewerblichem Zwischenvermieter, wird er nur noch durch Zahlung an den Eigentümer frei. Sofern jedoch Zweifel darüber bestehen, ob die Beendigung des Rechtsverhältnisses zwischen Eigentümer und gewerblichem Zwischenmieter wirksam war oder nicht, kann sich der Untermieter von seiner Mietzinsverpflichtung nur durch Hinterlegung nach § 372 S. 2 BGB befreien.

Nach wirksamer Beendigung des Rechtsverhältnisses zwischen Eigentümer und gewerblichen Zwischenmieter hat der Eigentümer das Recht nach § 242 BGB, vom gutgläubigen Untermieter zu verlangen, daß dieser einen neuen gewerblichen Zwischenmieter zu den bisherigen Konditionen akzeptiert und mit diesem kontrahiert.

Der Eigentümer hat das Recht, statt dessen seinerseits den Abschluß eines Hauptmietverhältnisses zu den gleichen Bedingungen zu verlangen, das zwischen Untermieter und dem gewerblichem Zwischenmieter bestand.

Da die Anwendung dieser Grundsätze aber keinesfalls dazu führen darf, den Untermieter in seiner Rechtsposition gegenüber dem vorigen Zustand zu benachteiligen, kann der Eigentümer - wenn der Untermieter vertragsgemäß bereits seine Kaution an den gewerblichen Zwischenmieter bezahlt hat - nicht erneut die Gestellung einer Kaution verlangen, bevor nicht der Untermieter die Kaution vom gewerblichen Zwischenmieter zurückerhalten hat. Jedoch entspricht es einem gerechten Interessenausgleich, dem Eigentümer das Recht zu geben, vom Untermieter die Abtretung des Anspruchs auf Auszahlung der Kaution bzw. Rückgabe oder Übertragung der Sicherheit gegenüber dem gewerblichen Zwischenmieter verlangen zu können.

III. Fazit

Im Ergebnis ist festzuhalten: Die Abwicklung des Rechtsverhältnisses zwischen Eigentümer und gutgläubigem Besitzer lediglich nach den Eigentümer-Besitzer-Vorschriften ( §§ 985 ff. Eigentümer-Besitzer-Vorschriftenrung ( §§ 812 ff. BGB) bietet dem Eigentümer keinen ausreichenden Schutz und kein ausreichendes Äquivalent für die Befugnis des Untermieters, Räumungsschutz in Anspruch zu nehmen. Die §§ 987 ff. und 812 ff. BGB, die sich auf gesetzliche Abwicklungsverhältnisse beziehen, enthalten für Eigentümer und gutgläubigen Untermieter keine sachgerechten Regelungen für eine fortbestehende Rechtsbeziehung. Aus § 242 BGB folgt daher m. E. in den genannten Fällen die Verpflichtung des Untermieters, mit dem Eigentümer Vereinbarungen abzuschließen, die denjenigen zwischen Untermieter und Zwischenmieter entsprechen, oder aber sich in vollem Umfang so behandeln zu lassen, als seien solche Vereinbarungen zustandegekommen.