JA 1971 ZR, 163

Rezensionen JA 1971, ZR S. 163

Juristische Lehrgänge Alpmann und Schmidt, Verlagsgesellschaft, Münster, Atzler, Lehrgänge zur Vorbereitung auf die juristische Staatsprüfungen. Eigenverlag Dr. Atzler, Bad Schussenried.

Vorbemerkung
Alpmann-Schmidt und Atzler bieten – das kann man uneingeschränkt jedenfalls für das Gebiet des Zivilrechts sagen – die besten und – wie unsere Umfrage gezeigt hat (vgl. JA 1970, Letzte Seite 56 (774) – auch die erfolgreichsten Fernlehrgänge zur Vorbereitung auf die juristischen Staatsprüfungen. Eine Besprechung von so komplexen und umfangreichen Lehrgängen ist schwierig. Die ungeheuer große Menge an Stoff verbietet es, ins Detail zu gehen, also etwa die Aufbereitung einzelner Rechtsgebiete oder Probleme zu analysieren. Aber auch eine vollständige, umfassende Darstellung der Methode beider Lehrgänge ist in diesem Zusammenhang nicht möglich. Hier kann deshalb nur angedeutet werden, welche Ziele die beiden Lehrgänge verfolgen und auf welche Weise sie es tun.

Beide Lehrgänge arbeiten mit grundverschiedenen Methoden, die jeweils ihre Vor- und Nachteile haben. Der Vergleich soll in erster Linie versuchen, diese verschiedenen Methoden herauszustellen. Wertungen sind dabei notwendig subjektiv und nicht verbindlich. Der eine wird mit dieser, der andere mit jener Methode mehr erreichen können. Der eine wird darum auch diesen, der andere jenen Lehrgang für besser halten. Den – weitaus – größeren Erfolg hat derzeit der Lehrgang von Alpmann-Schmidt. Das hängt - sicher nicht nur, aber auch – damit zusammen, dass Alpmann-Schmidt über eine vorzügliche Vertriebsorganisation verfügen, dass der Interessent nicht einen ganzen Kurs (unbesehen) abonnieren muss, sondern ein Heft gerade für das Gebiet kaufen kann, das er durcharbeiten möchte, dass die Atzlersche Methode – jedenfalls in den ersten Heften – den Anfänger mehr anspricht als den Fortgeschrittenen, der Student sich aber meist erst in einem höheren Semester entschließt, ein Fernrepetitorium zu bestellen, und schließlich auch damit, dass der Lehrgang von Alpmann-Schmidt zwar nicht billig, aber doch erheblich billiger ist als der Lehrgang von Atzler.

Fernlehrgang Atzler
1. Der Student sieht sich am Anfang des Studiums mit einer verwirrenden Vielfalt gesetzlicher Bestimmungen und juristischen Probleme konfrontiert. Vorlesungen und Arbeitsgemeinschaften können hier nur zum Teil helfen, weil sie einerseits eine erhebliche Stoffmenge vermitteln müssen und andererseits nicht auf das individuelle Arbeitstempo jedes einzelnen Hörers abgestellt werden können. Der Student muss also in der Regel zusätzlich mit Büchern oder Lehrgängen arbeiten.

Eine besondere Schwierigkeit ergibt sich für den Anfänger daraus, dass die meisten Grundrisse, Lehrbücher und Repetitorien dem äußeren Aufbau des Gesetzes folgen. Wer z. B. zuerst das erste Heft des Allgemeinen Teils von Alpmann-Schmidt durcharbeitet, wird schon auf S. 13 feststellen, dass er eigentlich wissen müsste, was ein Auftrag ist und welche Ansprüche sich aus einem Auftrag ergeben können. Auf S. 19 begegnet er Problemen des Schadensersatzes nach §§ 823, 831 BGB und des Werkvertragsrechts (§§ 631 ff. BGB). Der Anfänger wird also feststellen, dass er zum Verständnis des Allgemeinen Teils mindestens auch Kenntnisse aus dem Schuldrecht, am besten aber aus allen Büchern des BGB haben sollte. Diese erschließen sich ihm aber wiederum nur dann, wenn er den Allgemeinen Teil beherrscht. Dieser Teufelskreis ist die Hauptschwierigkeit am Anfang des Studiums.

Hier hilft Atzler. Sein programmierter Rechtsunterricht ist vollkommen voraussetzungslos aufgebaut. Dem Studium fällt der Einstieg in das Zivilrecht mit Atzler wesentlich leichter. Die Aussage im Sonderheft der JA für Studienanfänger (S. 58), Atzler sei erst für Fortgeschrittene geeignet, beruht auf einem Irrtum und ist hier ausdrücklich zu berichtigen.

Dass Atzler gerade für den Anfänger besonders geeignet ist, hat m. E. im wesentlichen drei Gründe:

1. Ein Vorteil der Lehrgänge liegt darin, dass sie in der äußeren Form eines Dialogs zwischen Vortragendem und Hörer abgefasst sind. Manche Studenten stören sich allerdings gerade daran, weil es ihnen allzu altväterlich erscheint. Die Aufteilung in Frage und Antwort hat jedoch ihren guten Grund. Ob man die Fragen bewusst beantwortet oder nicht: In jedem Fall regt die Interrogation verstärkt zu einem Mitdenken an.

2. Ein weiterer, noch wichtigerer Vorteil ergibt sich für den Anfänger aus der Tatsache, dass Atzler nicht nach dem äußeren Aufbau des Gesetzes, sondern nach dem sog. inneren Aufbau vorgeht. Dabei werden Probleme, die nach ihren Strukturen verwandt sind, in verschiedenen Rechtsgebieten im Zusammenhang behandelt. Der Student sieht, wie dieselben oder doch ähnlichen Probleme in scheinbar ganz verschiedenen Rechtsgebieten auftauchen. Diese Querverbindungen geben ihm eine nützliche und notwendige Orientierung in der für ihn unübersehbaren Stoffmenge.

3. Typisch für die oft kopierte aber nie erreichte Atzler-Methode ist weiter, dass sich jeder Schritt aus dem bereits Dargestellten entwickelt. Für jedes Gebiet werden sog. Grundfälle herausgearbeitet und dann zur Erläuterung des Rechtsstoffes zunächst nur geringfügig abgeändert. Dadurch wird eine unnötige Überlastung des Gedächtnisses vermieden und zugleich die Struktur rechtlicher Regelung besonders deutlich gemacht. Für den Fortgeschrittenen bildet Atzler in einer zweiten Ausbildungsstufe dann ausgehend von seinen Grundfällen materiell-rechtliche schwierige Fälle.

Atzlers Methode bringt es mit sich, dass der Student nach dem Durcharbeiten mehrerer Atzler-Lieferungen allerdings nicht – wie es z. B. bei dem Repetitorium von Alpmann und Schmidt der Fall ist – das Gefühl entwickelt, nunmehr etwa “den Allgemeinen Teil“ oder „das Schuldrecht“ zu kennen oder wenigstens ganz „durchgearbeitet zu haben“. Indessen ist dieses Bewusstsein („ich habe diese oder jene Gebiete bzw. so und so viele Seiten durchgearbeitet“) ohnehin von zweifelhaftem Wert. Was man mehrfach gepaukt hat, bleibt unter Umständen (aber auch nur eine Zeitlang) im Gedächtnis. Kenntnisse sind für Studium und Examen notwendig und wichtig. Mit dem Auswendigwissen von Problemen und Entscheidungen ist es jedoch nicht getan. Wer sich damit beruhigt, kann unerfreuliche Überraschungen erleben. Bei der Korrektur von Klausuren zeigt sich immer wieder der typische Fehler unkritischer Vielwisserei, die Tatbestandsquetsche: Ein Rechtsfall wird falsch gelöst, weil der Bearbeiter einen ähnlichen – aber eben nicht gleichen – Fall und dessen Lösung kennt und undifferenziert auf seinen Klausurfall überträgt.
Dieser Gefahr entgeht nur, wer die Fähigkeit erwirbt, die Eigenart jedes einzelnen Falles zu erkennen und diesen Fall zutreffend rechtlich zu beurteilen. Voraussetzung dafür ist die sichere Beherrschung der spezifisch-juristischen Denkweise und damit auch der Methode der Falllösung.

Bei Atzler liegt das Schwergewicht auf der Vermittlung dieser Methode. Wer von Anfang des Studiums an „atzlert“, d. h. also die Lieferungen nicht nur liest, sondern durcharbeitet und durchdenkt, der wird sich dieses Können bald aneignen und für Prüfungen und Praxis ein solides Fundament aufbauen. (Das gilt im übrigen auch für den Referendarlehrgang, der in hervorragender Weise in die Relationstechnik einführt.).

Den größten Nutzeffekt haben die Atzler-Lehrgänge, wenn man sie zum Vorausarbeiten benützt. Für diejenigen, die mit Hilfe der Atzler-Lehrgänge schon vor der Vorlesung wichtige Zusammenhänge erarbeiten, haben die Veranstaltungen an der Universität einen höheren Ausbildungswert.
Für den Studienanfänger gibt es nichts Besseres als Atzler.
Das schließt nicht aus, dass Atzler auch für Studenten in höheren Semestern von Nutzen sein kann. Vor allem gilt dies für diejenigen, die noch keinen Gesamtüberblick gewonnen haben und in erster Linie an der Falllösung scheitern. Ausschließlich als Repetitorium oder Nachschlagewerk ist der Lehrgang jedoch weniger geeignet als etwa derjenige von Alpmann-Schmidt. Das hängt mit Methode und Aufbau beider Werke zusammen: Die Gliederung nach dem inneren Aufbau hat zwar alle didaktischen Vorzüge. Sie kann aber – trotz Inhalts- und Gesamtverzeichnissen – nie ebenso übersichtlich sein wie eine Gliederung nach dem äußeren Aufbau des Gesetzes.

Der besondere Wert des Atzler-Lehrgangs liegt also in seiner Methode, die ihn gerade für Studienanfänger aber auch für Studenten in mittleren Semestern besonders empfehlenswert macht. Aber Atzler vermittelt natürlich nicht nur juristisches Können, sondern auch Wissensstoff. Viele Komplexe – etwa derjenige der Grundpfandrechte oder des Wertpapierrechts – sind bei Atzler so vorzüglich dargestellt, dass sie – auch dank sog. versteckter Wiederholungen – nach sorgfältiger Durcharbeit „sitzen“.

Dennoch genügt es für ein erfolgreiches Examen nicht, ausschließlich Atzler durchzuarbeiten. Der Kandidat muss mehr wissen als Atzler bringt und als er bei der Ausrichtung seines Lehrgangs bringen kann. Notwendig ist z. B. insbesondere die Kenntnis neuerer und neuester Rechtsprechung und aktueller Probleme. Das Studium neuer Fachzeitschriften kann naturgemäß kein Fernlehrgang ersetzen.

II. Den Atzler-Lehrgang gibt es für Studenten und für Referendare in verschiedenen Ausführungen. Dazu gehören insgesamt für beide Lehrgänge:

1. 11 gedruckte Bücher, zusammen zum Preis von DM 173,80. Davon sind 7 bereits auf die Vorbereitung auf das Referendarexamen zugeschnitten.

2. Eine (bunte, aber entbehrliche) gedruckte VwGO-Tabelle zum Preis von DM 3,50.

3. 85 vervielfältigte Lieferungen für alle Rechtsgebiete zur Ausbildung vom 1. Semester an bis zur 1. juristischen Staatsprüfung. Diese Lieferungen können insgesamt, aber auch einzeln, bestellt werden. Der Lehrgang für Referendare umfasst weitere 53 vervielfältigte Lieferungen. In diesen Zahlen sind jeweils die Klausurbesprechungen (für den Studentenlehrgang: 35) enthalten.

Wer den gesamten Atzler-Lehrgang zur Vorbereitung auf das 1. juristische Examen (einschließlich Klausuren und Büchern) zu Eigentum erwerben will, muss also mit gut DM 900,00 – rechnen. Auch wenn Atzler darauf hinweist, dass eine einmalige Preiserhöhung von 17 % seit 1948 weit unter dem Durchschnitt der allgemeinen Preisentwicklung liegt, dürfte der Preis von DM 9,80 pro Lieferung (die der Student verständlicherweise lieber zu Eigentum haben will) manchem Studenten die Entscheidung für Atzler erschwerden. Billig ist der Lehrgang sicher nicht. Aber er ist didaktisch vorbildlich und hat vergleichsweise den höchsten Ausbildungswert. Ob der Student für diesen Vorteil auch einen empfindlich hohen Preis zahlen will, muss seiner eigenen Entscheidung überlassen bleiben.

Von Wiss. Assistent Dr. Ekko Reinelt, Regensburg