BrBp, Heft 9 2004, Seite 354

Sind Teilurteile sinnvoll?

RA Dr. Ekkehart Reinelt, München

§ 301 ZPO hat eine überraschende Struktur: Absatz 1 scheint zu signalisieren, dass zwingend Teilurteil zu erlassen ist, wenn einer von mehreren geltend gemachten Ansprüchen oder ein Teil eines Anspruchs zur Entscheidung reif ist, der Rest nicht. Absatz 2 relativiert diese scheinbare strikte Verpflichtung: Der Erlass eines Teilurteils kann unterbleiben, wenn es das Gericht nach Lage der Sache nicht für angemessen erachtet.

Letztlich hängt die Frage - Erlass eines Teilurteils oder nicht - am nur schwer überprüfbaren Ermessen des Gerichts. Oft drängt die Prozesspartei, die sich ein günstiges Teilurteil erhofft, darauf, dass durch Teilurteil entschieden wird. Die Gerichte sind mit dem Erlass von Teilurteilen eher zögerlich. Andererseits gibt es Kammern und Senate, die der Auffassung sind, dass Teilurteile der Beschleunigung und den Interessen der Parteien dienen. Das ist im Ergebnis jedoch nicht immer so. Die Entscheidung durch Teilurteil und späteres Endurteil kann sich auch abseits der, aber auch gerade in Bausachen immer wieder auftretenden Zulässigkeitsprobleme für die Parteien durchaus problematisch auswirken.

Das OLG München hatte kürzlich über eine Klage zu entscheiden, die gestützt war auf den Regressanspruch des Bürgen gegen dessen (vermeintlichen) AG. Die Parteien stritten darüber, ob diese Bürgschaft wirksam war und der AG tatsächlich für die Auszahlung der Bank gegenüber dem Gläubiger in Regress genommen werden konnte. Strittig war zwischen den Parteien darüber hinaus die Frage, ob bestimmte Mietzinsforderungen aus gewerblichen Mietverträgen wirksam vom AG an die Bank abgetreten war oder nicht. Die I. Instanz entschied durch einheitliches Endurteil: Sie wies die Regressklage der Bürgin ab und gab dem Feststellungsbegehren des AG, die Abtretung der Mieten sei nicht wirksam erfolgt, statt.

Zum gleichen Ergebnis kam auch die II. Instanz. Sie wies - diesmal durch Teilurteil - die Berufung hinsichtlich der Klageforderung aus der Bürgschaft zurück. Nach Beweiserhebung bestätigte der Senat des OLG dann durch Endurteil die 1. Instanz auch in der Feststellung der Unwirksamkeit der Abtretung der Mietzinsforderungen. Die Revision wurde in beiden Fällen nicht zugelassen.

Wie nicht anders zu erwarten, legte die Bank sowohl gegen das Teilurteil als auch gegen das Endurteil Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH ein.

Die Einlegung dieser beiden Nichtzulassungsbeschwerden hatte für die obsiegende beklagte Partei zunächst den schmerzlichen Nachteil, dass die Akten sofort zum BGH gingen und dort zwischen verschiedenen Senaten hin- und hergeschoben wurden. Eine Kostenfestsetzung gegen die Klägerin aus beiden Instanzen konnte nicht erfolgen. Die beklagte Partei konnte also die - erheblichen - Kosten, die sie auf Grund vorläufig vollstreckbaren Titels eigentlich sofort hätte geltend machen können, nicht durchsetzen, weil das Kostenfestsetzungsverfahren blockiert war: Die Akten standen der I. Instanz zur Durchführung der Kostenfestsetzung nicht zur Verfügung.

Die überraschende Besonderheit des Falles für die Parteien ergab sich aus den Zuständigkeitsregeln, die für die verschiedenen Senate des BGH gelten: Das Teilurteil hatte Fragen aus einem Darlehensverhältnis zwischen Kunde und Bank behandelt. Das Endurteil betraf Forderungen aus einem gewerblichen Mietverhältnis und deren Abtretung. Aus dieser rechtlichen Unterschiedlichkeit der geltend gemachten Ansprüche ergeben sich unterschiedliche Zuständigkeiten von Zivilsenaten des BGH, die sich nach den jeweiligen materiellen Rechtsgebieten richten. Während Fragen aus dem Darlehensverhältnis vom XI. Zivilsenat zu klären sind, hat sich der XII. Zivilsenat um die Fragen der gewerblichen Mietverhältnisse zu kümmern.

Die Folge: Es gibt zu einem Prozess, den LG und OLG zu entscheiden hatten, zwei verschiedene Nichtzulassungsverfahren bei zwei verschiedenen Senaten mit doppelten Kosten für die Prozessbeteiligten und mit der zusätzlichen Schwierigkeit, dass die Akten jetzt zwischen den einzelnen Senaten hin- und hergeschoben werden müssen: Angesichts der Praxis des BGH, lediglich Termine anzugeben, vor denen über die Frage der Nichtzulassungsbeschwerde nicht entschieden wird und dann die Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde lange Zeit, manchmal sogar Jahre, hinauszuschieben, wurde der in zwei Instanzen obsiegenden Beklagten Steine statt Brot gegeben: Sie kann ihre Kosten auf unabsehbare Zeit nicht festsetzen lassen, obwohl sie - ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar - auch in II. Instanz beim OLG gewonnen hatte.

Ergebnis: Das - auch gerade im Interesse der obsiegenden beklagten Partei gut gemeinte - Verfahren, Teilurteil und Endurteil zu erlassen, kann sich im Ergebnis als Bumerang erweisen. Nicht von ungefähr sind die Gerichte daher beim Erlass von Teilurteilen eher zurückhaltend.