NJW 1974, 2310

Darlegung und Nachweisung bei der Prorogation im Säuninisverfahren nach § 331 Abs. 1 Satz 2 ZPO

Von Rechtsanwalt Dr. Ekkehart Reinelt, München

 

I. Seit Inkrafttreten der Gerichtsstandsnovelle wird heftig darüber gestritten, wie weit die Substantiierungslast des Gläubigers bei behaupteter Gerichtsstandsvereinbarung im Mahnverfahren geht und welche Nachweise er dem Rechtspfleger zu erbringen hat. Die extremen Anforderungen, die teilweise an Substantiierung und Beibringung im Mahnverfahren gestellt werden - ob zu Recht oder zu Unrecht sei hier dahingestellt-, und die durch die Kontroversen entstandene Rechtsunsicherheit werden jedenfalls die rechtspolitisch unerwünschte Folge haben, daß der Gläubiger häufiger ohne vorgängiges Mahnverfahren sofort am vereinbarten Gerichtsstand klagen wird. Eine Mehrbelastung der Gerichte mit Prozessen, die sich sonst - weil der Schuldner sich nicht rührt - im Mahnverfahren erledigt hätten, wird die Folge sein. Bei einem Gros dieser Prozesse wird der Kläger - weil der Beklagte nicht erscheint - am vereinbarten Gerichtsstand versuchen, ein Versäumnisurteil zu erhalten. Die Gerichte werden sich daher besonders mit der neuen Vorschrift des § 331 Abs. 1 Satz 2 ZPO zu befassen haben.

II. Anders als bei den noch kontroversen Fragen im Mahnverfahren scheint sich für das Säumnisverfahren in der Literatur weitgehend unwidersprochen zu Fragen der Darlegung und Nachweisung von Tatsachen, die die Prorogation begründen, bereits eine im großen und ganzen einheitliche Rechtsauffassung zu etablieren, die sich allerdings in der gerichtlichen Praxis noch nicht durchgesetzt hat.

Bei der Prorogation des § 38 Abs. 1 ZPO soll ein Versäumnisurteil nur erlassen werden, wenn der Kläger den Nachweis der Vollkaufmannseigenschaft des Beklagten durch Vorlage eines Handelsregisterauszugs führt. Bei nicht eingetragenen Kaufleuten soll die Anwendung des § 38 Abs. 1 ZPO regelmäßig an Beweisgründen scheitern. Zumindest aber - so meinen andere Autoren - müßten Tatsachen vorgetragen und (entsprechend nach § 331 Abs. 1 Satz 2 ZPO voll bewiesen werden), die den Schluß auf das Nichtvorliegen der Voraussetzungen des §4, HGB - also der Eigenschaft als Minderkaufmann - zulassen. Letztlich müsse der Gläubiger also Angaben zur Umsatzhöhe des Schuldners machen, wenn er ein Versäumnisurteil am vereinbarten Gerichtsstand erstreiten will.

Bei der "bürgerlichen" Prorogation müsse eine "Prorogationsurkunde" vorgelegt werden, andernfalls sei der Erlaß eines Versäumnisurteils abzulehnen.

Diese Auffassung führt zu einer Aushöhlung der immerhin materiell grundsätzlich gewährleisteten Prorogationsfreiheit im vollkaufmännischen Verkehr und zu einer Beschneidung der bürgerlichen Prorogation, wie sie in diesem Ausmaß durch die Gerichtsstandsnovelle weder geboten noch gerechtfertigt ist.

III.
1.
a) Die Auffassung VOLLKOMMERS ZU § 331 Abs. 1 Satz 2, es könne ein Versäumnisurteil nur ergehen, wenn der Kläger einen Handelsregisterauszug mit Eintragung des Beklagten im Handelsregister vorlegt, ist mit der Neuregelung des § 38 Abs. 1 ZPO nicht in Einklang zu bringen. Diese Vorschrift knüpft - anders als der Entwurf der Bayer. Staatsregierung und anders als § 8 AbzG gerade nicht an eine Eintragung ins Handelsregister, sondern an die materielle Vollkaufmannseigenschaft an. Eine regelwidrige Nichteintragung eines Vollkaufmanns beseitigt also nicht die Prorogationsmöglichkeit nach § 38 Abs. 1 ZPO.

Wenn § 331 Abs. 1 Satz 2 ZPO die Geständnisfiktion eines zur Zuständigkeit gehaltenen Sachvortrages nach §§ 29 Abs. 2, 38 ZPO ausschließt, folgt daraus lediglich, daß der Kläger über die schlüssige Behauptung eines Prorogationsvertrages hinaus das Gericht von dessen Geltung überzeugen muß (§ 286 ZPO), nicht jedoch, daß dies nur durch Vorlage von Urkunden geschehen kann. Infolgedessen ist es auch nicht vertretbar, auf dem verfahrensrechtlichen Umweg, konstruierter und vom Gesetz nicht zugelassener Beweismittelbeschränkungen im Ergebnis die Voraussetzungen an eine durchsetzbare Prorogation zu verschärfen. Es ist daher rechtswidrig, den Erlaß eines Versäumnisurteils von der Vorlage eines Handelsregisterauszugs abhängig zu machen.

b) Diejenigen Autoren, die zwar von der Vorlage eines Handelsregisterauszugs absehen, aber eine volle Darlegung und Nachweisung für das Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 4 HGB - praktisch damit Angabe und Nachweise von Umsatzzahlen verlangen, geben dem Kläger Steine statt Brot: Der Kläger wird in eine Beweisnot gezwungen, die es von vornherein ausschließt, ein Versäumnisurteil am vereinbarten Gerichtsstand zu erstreiten. Woher soll der Gläubiger die Umsatzzahlen nehmen? Das Finanzamt darf und der Schuldner wird sie ihm nicht mitteilen. Wie soll er sie darüber hinaus beweisen? Etwa durch Parteivernehmung des - nicht erschienenen Schuldners?

Wenn § 331 Abs. 1 Satz 2 ZPO im übrigen so zu verstehen wäre, daß alle die Wirksamkeit der Prorogation begründenden Tatsachen uneingeschränkt vom Gläubiger voll bewiesen werden müssen, so würde der negative - die Voraussetzungen des § 4 HGB ausschließende - Beweis noch immer nicht ausreichen. Der Kläger hätte darüber hinaus nämlich den Beweis für die Vereinbarung selbst zu erbringen. Im Falle formloser Gerichtsstandsvereinbarung, die nach § 38 Abs. 1 ZPO nach wie vor möglich ist, könnte ein Versäumnisurteil praktisch nur dann erlassen werden, wenn der Kläger - auf Verdacht einen Zeugen zum Termin mitbringt, das Gericht diesen auch tatsächlich im Termin vernimmt und der Zeuge den entsprechenden Vertragsschluß bestätigt.

Weil die von der bisherigen Auffassung verlangten Darlegungen kaum geliefert und die vollen Nachweise für die Vollkaufmannseigenschaft in diesem Sinne praktisch nicht erbracht werden können, empfiehlt man dem Gläubiger ganz offen, sich von vorneherein an das Wohnsitzgericht des Schuldners zu wenden. Nach dieser Auffassung hat es der nicht eingetragene 'Schuldner praktisch in der Hand, durch Nichterscheinen das Verfahren vor dem als zuständig vereinbarten Gericht zu boykottieren und damit die Prorogation - entgegen der vorneherein ausgeschlossen, daß man vom Kläger auch Intention des Gesetzgebers - völlig zu entwerten. Im Ergebnis führt also die bislang vertretene Auffassung zu § 331 Abs. 1 Satz 2 ZPO zu Anforderungen an die vom Gläubiger zu erbringenden Nachweise, die seine prozessuale Befugnis, das Verfahren am vereinbarten Gerichtsstand durchzuführen, zur Farce werden lassen.

Durch § 331 Abs. 1 Satz 2 ZPO soll es dem Kläger aber nicht grundsätzlich unmöglich gemacht werden, vor dem vereinbarten Gericht ein Versäumnisurteil zu erstreiten, noch soll der Kläger gezwungen werden, alle Prozeßvoraussetzungen urkundlich zu belegen. Die Vorschrift soll nur verhindern, daß auf Grund bloßer Behauptungen des Klägers ohne nähere Prüfung ein Versäumnisurteil durch ein in Wahrheit nicht zuständiges Gericht erlassen wird. Der nicht erschienene Beklagte ist nicht gegen den Erlaß eines Versäumnisurteils schlechthin geschützt. Auch geht es im Rahmen des § 331 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht um die Frage, ob das Versäumnisurteil materiell gerechtfertigt ist oder nicht. Entscheidend ist nur, daß die vereinbarte Zuständigkeit nicht mehr auf Grund bloßer Behauptungen bejaht werden kann. Sie muß vielmehr zur Überzeugung des Gerichts auf Grund des vorgetragenen Sachverhalts und der erbrachten Nachweise feststehen (§ 286 ZPO). Hierfür genügt aber ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewißheit, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuräumen.

2. Der Sinn der Gerichtsstandsnovelle kann daher auch dann, wenn man sie im Interesse des Verbraucherschutzes als "ein Stück soziales Zivilprozeßrecht" begrüßt, nicht darin liegen, das verfahrensrechtliche Prinzip der Waffengleichheit auf diesem Teilgebiet vollständig einem übersteigerten Verbraucherschutzdenken zu opfern.

a) Wie das BVerG unlängst in anderem Zusammenhang ausgeführt hat, ist es unzulässig, Rechtsvorschriften so zu handhaben, daß einer materiellrechtlichen Befugnis verfahrensmäßige Hindernisse in den Weg gelegt werden, die zu einer Schlechterstellung einer Partei im Prozeß führen und damit gegen die verfassungsrechtlich gesicherte Rechtsschutzgarantie verstoßen.

Aus dieser - ebenfalls zu einem "Stück sozialen Rechtes" ergangenen - Entscheidung des BVerfG ergeben sich m. E. Konsequenzen auch für das Prorogationsrecht: Der dem Kläger zustehende. Rechtsschutzanspruch auf Verurteilung des Beklagten umfaßt auch die prozessuale Befugnis, diese Verurteilung am vereinbarten Gerichtsstand zu erreichen. Die Vorschriften der Gerichtsstandsnovelle dürfen im Hinblick auf diese Rechtsschutzgarantie einerseits nicht so ausgelegt werden, daß der Beklagte willkürlich das Verfahren am tatsächlich wirksam vereinbarten Gericht durch bloße Säumnis verhindern kann. Andererseits darf vom Kläger nichts Unmögliches an Darlegung und Nachweisung verlangt werden.

Eine sinnvolle und der Rechtsschutzgarantie auch am vereinbarten Gerichtsstand entsprechende Interpretation des § 331 Abs. 1 Satz 2 ZPO muß daher restriktiv sein. Sie läßt sich auch mit dem Wortlaut des § 331 Abs. 1 Satz 2 ZPO in Einklang bringen:

Wenn diese Vorschrift bestimmt, daß das Vorbringen zur Zuständigkeit des Gerichts nach §§ 29 Abs. 2, 38 ZPO nicht als geständnisfähiges Vorbringen i. 8. des § 331 Abs. 1 Satz 1 ZPO anzusehen sei, so legt bereits die Erwähnung der prozeßrechtlichen Bestimmungen nahe, zwischen den einzelnen zur Zuständigkeit durch Vereinbarung führenden Tatsachen zu unterscheiden.

Die §§ 29 Abs. 2, 38 ZPO regeln die Voraussetzungen, unter denen eine nach diesen Bestimmungen bereits vorausgesetzte, nicht jedoch autonom definierte Vereinbarung die gewünschte Rechtsfolge herbeizuführen geeignet ist. Der objektive Abschlußtatbestand der Vereinbarung selbst ist in § 38 ZPO nicht geregelt. Seine Voraussetzungen sind einer analogen Anwendung bürgerlich-rechtlicher Normen (§§ 145ff. BGB) zu entnehmen. Nur im Falle der bürgerlichen Prorogation sind für Form- und Abschlußzeitpunkt in § 38 Abs. 3 Nr. 1 ZPO besondere zusätzliche Erfordernisse aufgestellt.

Bei der gebotenen restriktiven Interpretation des § 331 Abs. 1 Satz 2 ZPO ist davon auszugehen, daß nur die in §§ 29 Abs. 2 und 38 ZPO geregelten Voraussetzungen, nicht aber der objektive Vereinbarungstatbestand selbst im Säumnisverfahren des Beweises bedarf Für den Vereinbarungstatbestand selbst muß es bei der nicht formbedürftigen vollkaufmännischen Prorogation wie bisher genügen, wenn Tatsachen schlüssig behauptet werden, die den Schluß auf die Vereinbarung selbst zulassen.

Praktisch bedeutet das, daß in den Fällen des § 38 Abs. 1 ZPO nur die Vollkaufmannseigenschaft der Vertragspartner des Beweises bedarf. Hierfür ist ausreichend - aber nicht zwingend erforderlich die Vorlage eines Handelsregisterauszugs, aber auch ein irgendwie gearteter anderer Nachweis, aus dem sich zur Überzeugung des Gerichts ergibt, daß der Schuldner ein Handelsgewerbe i. S. des § 1 HGB betreibt (Aufdruck auf dem Briefbogen des Schuldners, Gewerbeanmeldung und dgl.). Wollte man eine solche Nachweisung nicht für zulässig halten, so würde im Ergebnis die Handelsregistereintragung entgegen der Neufassung des Gesetzes, die gerade in diesem Punkt vom bayerischen Entwurf abweicht, zur Wirksamkeitsvoraussetzung der Prorogation nach § 38 Abs. 1 ZPO gemacht.

b) Das Nichtvorliegen des Ausnahmetatbestandes des § 4 HGB auf seiten des Beklagten kann der Kläger schlechterdings nicht beweisen, ja im Regelfall noch nicht einmal schlüssig behaupten.

§ 38 Abs. 1 Satz 1 ZPO schreibt vor, daß nur Kaufleute, die nicht zu den in § 4 HGB bezeichneten Gewerbetreibendengehören, uneingeschränkt prorogieren können. Hierdurch sind zwar Minderkaufleute materiell von der uneingeschränkten Prorogationsbefugnis ausgenommen. Über die Frage, wer das Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 4 HGB darzutun und zu beweisen hat, ist jedoch damit nichts gesagt. Es ist zwar nicht von vornherein ausgeschlossen, daß man vorn Kläger auch Darlegung und Beweis des Negativen verlangen kann. Soweit aber wie hier - im Prozeßrecht ohne eigene Regelung auf die Vorschriften des materiellen Rechts verwiesen wird, ist damit auch auf das Regel-Ausnahme-Verhältnis der §§ 1 und 4 HGB Bezug genommen, das grundsätzlich für Darlegungs- und Beweislast maßgebend ist. Im Hinblick auf den Ausnahmecharakter des § 4 HGB und die völlige Unmöglichkeit, schlüssige Darlegungen und einen negativen Beweis über Voraussetzungen in einer fremden Rechtssphäre zu liefern, muß bei verfassungskonformer Auslegung der §§ 38 Abs. 1, 331 Abs. 1 Satz 2 ZPO in Säumnisverfahren die Darlegung und der Nachweis für die grundsätzlich die Vollkaufmannseigenschaft begründenden Tatsachen ausreichend sein, nämlich für den Betrieb eines Grundhandelsgewerbes. Erfahrungssätze und gesetzliche Vermutungen können nicht nur die Anforderungen an die zu erbringenden Beweise und damit den Umfang der Beweislast des Klägers, sondern auch den Umfang der Behauptungslast beeinflussen. Die Darlegung und Nachweisung der Voraussetzungen des § 1 HGB reichten daher bei der vollkaufmännischen Prorogation im Rahmen des § 331 Abs. 1 Satz 2 ZPO aus.

c) Bei der bürgerlichen Prorogation sind nach § 331 Abs. 1 Satz 2 ZPO die in § 38 Abs. 3 Nr. 1 ZPO (bzw. im Falle der internationalen Prorogation die in § 38 Abs. 2 ZPO) genannten Voraussetzungen nachzuweisen. Da Form und Abschlußzeitpunkt der bürgerlichen Gerichtsstandsvereinbarung in § 38 Abs. 3 Nr. 1 ZPO ausdrücklich genannt sind, muß hier - anders als bei der kaufmännischen Prorogation - ein entsprechender Nachweis geführt werden.

Die Vorlage einer Prorogationsurkunde kann entgegen der h. M. nicht verlangt werden. Ihre Vorlage könnte verfahrensrechtlich zwingend nur dann geboten sein, wenn sie materielles Wirksamkeitserfordernis der bürgerlich-rechtlichen Prorogation wäre. Entgegen der in der Literatur bisher vertretenen Auffassung ist dies jedoch nicht der Fall.

Nach § 38 Abs. 3 Nr. 1 ZPO kann die Gerichtsstandsvereinbarung zwar nur schriftlich (nach Entstehen einer Streitigkeit) vereinbart werden. Der Begriff "schriftlich" ist jedoch nicht i. S. der "schriftlichen Form" nach § 126 BGB zu verstehen. Die Aufnahme in eine Urkunde ist daher nicht erforderlich. Will das Gesetz Schriftform i. S. des § 126 Abs. 2 BGB (nicht nur für eine Erklärung, sondern für einen ganzen Vortrag) anordnen, so verwendet es nicht lediglich den Begriff "schriftlich", sondern "Schriftform" oder "schriftliche Form" (§§ 1027 ZPO, 566, 564a BGB).

Dazu kommt folgendes: Ebenso wie § 38 Abs. 3 Nr. 1 verwendet § 38 Abs. 2 ZPO bei der internationalen Prorogation den Begriff "schriftlich". Bei § 38 Aber 2 ZPO reicht die Vereinbarung durch Korrespondenz (§ 127 BGB), weil § 38 Abs. 2 ZPO dem Art, 17 des, Europäischen Übereinkommens über gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen v: 27. 8. 1969 nachgebildet ist. Unstreitig ist dort "schriftlich' nicht i. S. des § 126 BGB zu verstehen. Ungeachtet der Tatsache, daß § 38 Abts. 2 ZPO bestimmte Gerichtsstandsvereinbarungen mit internationalem Bezug regelt, kann nicht davon ausgegangen werden, daß § 38 ZPO in verschiedenen Absätzen den Begriff "schriftlich" in verschiedener Bedeutung gebraucht. Da dem Gesetzgeber bei Einfügung des § 38 Abs. 2 ZPO die Anlehnung an die Regelung des Europäischen Übereinkommen bekannt war, hätte er in § 38 Abs. 3 Nr. 1 unschwer den Begriff der "Schriftform" erwähnen oder auf § 126 BGB verweisen können. Der Grund für die Einführung der Schriftlichkeit in § 38 Aber 3 Nr. 3 ZPO war eine Sicherung des Verbrauchers durch Überrumpelung mit Gerichtsstandsvereinbarungen, insbesondere im Zusammenhang mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Dieser Schutz wird durch die vorgesehene Zeitschranke (nach Entstehen der Streitigkeit) in Verbindung mit der einfachen Schriftlichkeit - etwa in Korrespondenz ausreichend gewährleistet. Eine Prorogationsurkunde ist daher materiell nicht erforderlich.

Die Vorlage einer Prorogationsurkunde kann daher im Säumnisverfahren auch nicht unabdingbare Voraussetzung des Erlasses eines Versäumnisurteils sein; es genügt vielmehr die Vorlage von Korrespondenz, aus der der Schluß auf eine nach Streitentstehung vereinbarte gerichtliche Zuständigkeit gezogen werden kann.

IV.
Ergebnis § 331 Abs. 1 Satz 2 ZPO macht den Erlaß eines Versäumnisurteils am vereinbarten Gerichtsstand davon abhängig, daß der Kläger den Abschluß eines Prorogationsvertrages substantiiert darlegt und das Gericht durch beliebige Beweismittel davon überzeugt, daß entweder sein Vertragspartner und er selbst ein Grundhandelsgewerbe betreiben (bzw. Formkaufmann nach § 6 HGB oder juristische Person (des öffentlichen Rechts oder öffentlich rechtliches Sondervermögen sind) oder daß eine schriftliche Gerichtsstandsvereinbarung nach Entstehen der Streitigkeit getroffen worden ist. Die Vorlage eines Handelsregisterauszugs, Darlegungen und Beweise für das Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 4 (insbesondere, zur Umsatzhöhe) oder eine Prorogationsurkunde können in keinem Fall verlangt werden.