ZAP 2000, Fach 13 Seite 969 Richterliche Unabhängigkeit und Vertrauensschutz Von Rechtsanwalt Dr. Ekkehart Reinelt, München Zur richterlichen Unabhängigkeit gehört es, Rechtsfragen nach der eigenen Überzeugung und ggf. auch gegen die h. M. zu entscheiden. Dem Richter kann nicht vorgeschrieben werden, sich einer bestimmten in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung anzuschließen. In der Praxis wird allerdings häufig die eigene juristische Abwägung des Richters durch die Berufung auf die Autorität der herrschenden Meinung ersetzt (vgl. SCHNEIDER ZAP Beilage 4/99). Dennoch kommt es natürlich immer wieder vor, dass gerade qualifizierte Richter, die sich ihre eigenen Gedanken machen, der herrschenden Meinung nicht folgen und sich einer Mindermeinung anschließen. Die richterliche Unabhängigkeit gestattet dem Richter, sich stets sein eigenes Bild zu machen und einen Fall im Rahmen von Recht und Gesetz so zu entscheiden, wie er das selber für richtig hält. 1. Schutz materiell-rechtlicher oder prozessualer Dispositionen der Partei Nach meiner Überzeugung gibt es allerdings Fälle, in denen der Vertrauensschutz des Rechtsuchenden die richterliche Unabhängigkeit einschränken muss. Wird deutlich, dass ein Rechtsuchender sich entweder im Vertrauen auf eine im gleichen Fall vorausgegangene Entscheidung eines anderen Richters oder im Vertrauen auf die h. M. zu einer bestimmten Vorgehensweise - sei es materiell-rechtlich oder prozessual - entschieden hat, kann es der Vertrauensschutz gebieten, diese seine im Vertrauen auf eine bestimmte geltende Rechtsüberzeugung gestützten Handlungen nicht durch gegenläufige gerichtliche Entscheidungen zu unterlaufen. Ein Beispiel aus dem Prozessrecht: Im Rahmen einer umfangreichen Vollstreckungsgegenklage wehrt sich ein Vollstreckungsschuldner gegen die Vollstreckung aus mehreren vollstreckbaren Urkunden, aus denen der Gläubiger die Vollstreckung einleitet. Der Kläger erhebt Vollstreckungsgegenklage beim Gericht seines eigenen allgemeinen Gerichtsstands (Wohnsitzgericht gern. § 797 Abs. 5 ZPO). Im Verfahren stellt sich heraus, dass eine der Urkunden, aus denen die Vollstreckung eingeleitet wurde, eine Vollstreckungsunterwerfung zu Lasten des jeweiligen Eigentümers eines Grundstücks (§ 800 ZPO) zum Gegenstand hat. Vollstreckt wird allerdings nicht in das Grundstück, sondern in das persönliche Vermögen des Vollstreckungsschuldners. Das Wohnsitzgericht weist in einem Aufklärungsbeschluss darauf hin, dass seiner Meinung nach - der herrschenden Meinung folgend - für die Vollstreckungsgegenklage aus der genannten Urkunde eine ausschließliche Zuständigkeit des Gerichts besteht, in dessen Bezirk das Grundstück liegt. Dieses ist im konkreten Fall nicht mit dem Wohnsitzgericht identisch, § 800 Abs. 3 ZPO. Nach h. M. ist die ausschließliche Zuständigkeit gern. § 800 Abs. 3, § 802 ZPO auch dann gegeben, wenn aus einer Urkunde, in der der jeweilige Eigentümer des Grundstücks der Vollstreckung unterworfen wird, wegen des persönlichen Anspruchs vollstreckt wird (THOMAS/PUTZO, ZPO, 2 1. Aufl., § 800, Rn. 7; BAUMBACH/ HARTMANN, ZPO, 58. Aufl., § 800, Rn. 10; ZÖLLER-STÖBER, ZPO, 20. Aufl., § 800, Rn. 18). Mit Rücksicht auf den entsprechenden Hinweis des Gerichts auf die von diesem selbst auch vertretene h. M. nimmt der Vollstreckungsschuldner seine Vollstreckungsgegenklage insoweit zurück, als sie sich gegen die Vollstreckung aus der genannten Urkunde richtet. Er erhebt sodann die Vollstreckungsgegenklage gegen die Vollstreckung aus dieser Urkunde neu bei dem Gericht, in dessen Bezirk das Grundstück belegen ist (§ 800 Abs. 3 ZPO). Wenn sich nunmehr der Richter des Gerichts, in dessen Bezirk das Grundstück liegt, einer abweichenden Mindermeinung anschließt, wonach für die Vollstreckung aus dem persönlichen Anspruch auch im Falle des § 800 ZPO nicht die Zuständigkeit des § 800 Abs. 3 ZPO, sondern die allgemeine Zuständigkeit des § 797 Abs. 3 ZPO gilt (so KG NJW 1989,1407), führt dies im Ergebnis zu einer Rechtschutzverweigerung zu Lasten des Rechtsschutzsuchenden: Er gerät zwischen die Stühle kontroverser richterlicher Auffassungen zum Anwendungsbereich des § 800 Abs. 3 ZPO. Freilich kann er auf entsprechenden Hinweis des neuen Gerichts wiederum einen Verweisungsantrag stellen. Es wird dann schließlich mit bindender Wirkung verwiesen (§ 281 Abs. 2 S. 3 ZPO). Gleichwohl kann dieses Vorgehen den Rechtsschutz des Klägers nicht gewährleisten. Ein zwischenzeitlich gestellter Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 769 ZPO wird bis zu einer solchen bindenden Verweisung nicht verbeschieden, der Rechtsschutz des Klägers daher auf unerträgliche Weise verkürzt. Denn inzwischen kann der Vollstreckungsgläubiger (mangels Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 769 ZPO) Vollstreckungsmaßnahmen ergreifen, die das Rechtsschutzziel der Vollstreckungsgegenklage obsolet machen. Anhand dieses Beispiels wird deutlich: Der Umstand, dass der Kläger bei seiner Prozesshandlung vor dem ersten angegangenen Gericht sich auf die h. M. verlassen hat, sich dem Aufklärungsbeschluss des Gerichts gebeugt, seine Klage insoweit zurückgenommen und bei dem nach h. M. richtigen Gericht nach § 800 Abs. 3 ZPO eingereicht hat, beruht auf dem Vertrauen des Klägers und Vollstreckungsschuldners auf den Hinweis des ersten Gerichts und die von diesem vertretene h. M. Der Kläger hat sich nach diesem Hinweis des Gerichts auf die h. M. und deren Konsequenzen eingestellt. Es verstösst gegen den Vertrauensgrundsatz und das Gebot effektiven Rechtsschutzes, wenn der Richter des zweiten Gerichts (der belegenen Sache) unter Berufung auf seine richterliche Unabhängigkeit nunmehr eine konträre Auffassung zu derjenigen vertreten wollte, auf die sich der Kläger verlassen hat. Ein weiteres Beispiel aus dem materiellen Recht: Bei einem großen Bauvorhaben produziert der Generalunternehmer, der aufgrund eines VOB-Vertrages Bauleistungen für den Auftraggeber durchführt, eine nicht unerhebliche Zahl kleinerer Mängel. Diese beseitigt er trotz Aufforderung nicht. Der beratende Anwalt steht vor der Frage, ob er dem Mandanten die außerordentliche Kündigung des Bauvertrages empfehlen kann/muss. Der beratene Mandant, der Auftraggeber, will unbedingt eine Beseitigung dieser Mängel erreichen. Schließlich empfiehlt der Anwalt nach Prüfung der Rechtsprechung die außerordentliche Kündigung (nach entsprechender Fristsetzung mit Beseitigungsaufforderung) gern. § 8 Nr. 3 VOB/B i. V. m. § 4 Nr. 7 VOB/B. Er verlässt sich dabei auf die h. M., nach der unabhängig von der ziffernmäßigen Bewertung der Mängel, sei es absolut, sei es in Relation zum Bauvolumen, die Kündigung nach diesen Vorschriften möglich ist (OLG Düsseldorf BauR 1996, 757; INGENSTAU/KOREION, 13. Aufl., § 4, Rn. 7, 339; KOHLER in Beck'scher VOB-Kommentar, § 4 Nr. 7, Rn. 34). Der Hintergrund dieser in der Rechtsprechung und Literatur herrschenden Meinung (wonach es für das Recht der außerordentlichen Kündigung gern. § 8 Nr. 3, § 4 Nr. 7 VOB/13 nicht auf Umfang und Bewertung der Mängel ankommt) beruht auf folgender Überlegung: Untersagt man unter Berufung darauf, die Mängel seien nicht erheblich, dem Auftraggeber das Recht der außerordentlichen Kündigung nach § 8 Nr. 3 VOB/B, ist er völlig schutzlos. Denn nach h. M. kann er Ersatzvornahmeansprüche nicht durchsetzen, wenn er wegen solcher Mängel nicht zur Kündigung nach § 8 Nr. 3 VOB/B greift, ja eine solche Kündigung ist unabdingbare Voraussetzung der Geltendmachung von Ersatzvornahmeansprüchen (BGH NJW 1977, 1922; MOTZKE in Beck'scher VOB-Kommentar VOB/B § 8 Nr. 3, Rn. 37; INGENSTAU/ KORBION, a. a. 0., § 8 Nr. 3 Rn. 86 VOB/B). Vertritt man also die Auffassung, unerhebliche Mängel berechtigten nicht zur außerordentlichen Kündigung, wäre der Auftraggeber vollkommen schutzlos gestellt. Er müsste es nämlich hinnehmen, dass sein Bauwerk mängelbehaftet erstellt wird, ohne hiergegen vor Abnahme aktiv etwas unternehmen zu können. Eine Teilkündigung ist ebenfalls nicht möglich, weil diese nach absolut anerkannter Auffassung nur hinsichtlich abgrenzbarer Teile der Leistung möglich ist, wie sie auch Gegenstand gesonderter Abnahme nach § 12 VOB/B sein können. Der Anwalt legt dem Auftraggeber die Rechtslage und die h. M. dar sowie das Risiko einer abweichenden Auffassung. Gemeinsam kommt man bei Abwägung allen Für und Widers dazu, eine Kündigung unter Berufung auf die h. M. auszusprechen. Im nachfolgenden Prozess schliesst sich das Gericht bei der Prüfung der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung einer Mindermeinung an: Es argumentiert, dass bei nicht besonders gravierenden Mängeln nach Treu und Glauben auch eine Ersatzvornahme ohne Kündigung hätte durchgeführt werden können. Die Kündigung sei nur dann möglich, wenn der Mangel eine gewisse Bedeutung habe (so gegen die ganz h. M. HEIERMANN/RIEDL/RUSAM, Handkomm. zur VOB, 8. Aufl., § 8 Nr. 3, Rn. 22; zur h. M.: KOHLER, a. a. 0.; INGENSTAUKORBION, a. a. 0., § 4 Nr. 7 Rn. 339 VOB/13; KLEINE-MÖLLER/MERL/OELMAIER, 2. Aufl., § 12 Rn. 433). Mit einer solchen Entscheidung setzt sich das Gericht - indem es einer Mindermeinung folgt in klaren und erkennbaren Gegensatz zu den rechtlichen Erwägungen, die der Auftraggeber und sein Anwalt in Bezug auf die Möglichkeit und Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung (nachweislich) angestellt haben. Nach genauer Überprüfung der Sach- und Rechtslage und der h. M. haben sich der Auftraggeber und sein Anwalt für das Vorgehen entschieden, das die h. M. als richtigen und akzeptierten Weg für das Ziel einer Mängelbeseitigung vor Abnahme, nämlich die Kündigung des Bauvorhabens nach § 8 Nr. 3 VOB/B i. V. m. § 4 Nr. 7 VOB/B vorgezeichnet hat. Auch hier muss gelten: Hat eine Partei sich mit wohl begründeten Erwägungen auf einen Weg begeben, der von der herrschenden Meinung vorgezeichnet ist, widerspricht es dem Vertrauensgrundsatz, dieser Partei später durch eine gegenteilige Entscheidung unter Berufung auf richterliche Unabhängigkeit und die Entscheidung für eine konträre Mindermeinung die nach dem Vertrauensgrundsatz zu schützenden Rechte aus der Hand zu schlagen. Die Fallkonstellationen, bei denen eine Partei sich auf eine bestimmte Rechtsauffassung nach Abwägung des Für und Wider aus nachvollziehbaren Gründen eingestellt und verlassen hat, sind vielfältig. Sicher kann nicht jede Entscheidung für eine bestimmte Rechtsauffassung stets Vertrauensschutz auslösen. Es gibt aber Fälle, in denen der effektive Rechtsschutz, der den Parteien zu gewährleisten ist, eine Einschränkung der richterlichen Unabhängigkeit gebietet. Hat sich eine Partei auf den Hinweis eines Gerichts in einem vorangegangenen Verfahren erkennbar auf dessen Rechtsauffassung in bestimmten Rechts- oder Prozesshandlungen eingestellt, widerspricht es dem Vertrauensgrundsatz, wenn ein zweiter Richter in Kenntnis der entsprechenden Konstellation eine konträre Auffassung zu Lasten der Partei vertritt. Das gleiche gilt, wenn sich eine Partei mit wohl abgewogenen und nachvollziehbaren Gründen für einen Weg entschieden hat, den die h. M. vorzeichnet. In diesen Fällen verlangen das Gebot effektiven Rechtsschutzes und der Vertrauensgrundsatz eine Einschränkung der richterlichen Unabhängigkeit. Einem Richter muss es verwehrt sein, sich auf eine Mindermeinung zu berufen, wenn nachgewiesen werden kann, dass eine Partei sich in ihren früheren Dispositionen und Entscheidungen in nachvollziehbarer Weise auf die Richtigkeit der herrschenden Meinung oder eine entsprechende Verfügung/Entscheidung eines anderen Gerichts verlassen hat. II. Normative Anknüpfungspunkte Der Vertrauensgrundsatz muss auch die Gewissheit zum Inhalt haben, dass der Einzelne bei seinen rechtlichen Entscheidungen - zumal bei Beratung durch einen Anwalt - sicher sein kann, dass einer an der herrschenden Meinung orientierten Beratung durch den Anwalt oder einer durch eine gerichtliche Verfügung oder Entscheidung bedingten Disposition durch die kontroverse Entscheidung eines anderen Richters nicht der Boden entzogen wird. Das würde nicht nur das Vertrauen des Bürgers in die Funktionsfähigkeit des Rechtssystems zusätzlich in Frage stellen. Es wäre auch vom Ergebnis her mit dem als gerecht Empfundenen nicht vereinbar. Dass die Einschränkung der richterlichen Unabhängigkeit aufgrund Vertrauensschutzes jedoch nicht nur ein von einem vagen Rechtsgefühl postuliertes Gerechtigkeitsgebot darstellt, sondern auch dogmatisch begründbar ist, ergibt sich aus folgenden Überlegungen: Das Gesetz enthält nicht nur in § 242 BGB Anhaltspunkte dafür, dass
berechtigtes Vertrauen einer Partei auf bestimmte Dispositionen geschützt
werden muss (Verbot des venire contra factum proprium). Es gibt auch
prozessuale Vorschriften, die nicht nur im Interesse der Arbeitsersparnis
des Gerichts, sondern auch im Interesse der Sicherung von Parteiinteressen
kontroverse gerichtliche Entscheidungen unmöglich machen oder jedenfalls
einschränken sollen: Hat ein Gericht sich rechtskräftig für sachlich unzuständig erklärt, ist diese Entscheidung auch wenn sie falsch sein sollte - für das Gericht bindend, bei dem die Sache später anhängig wird (§ 11 ZPO). Auch bei einer an sich unzutreffenden Verweisung eines Gerichts an ein anderes tritt - wenn das Erstgericht mit Unrecht seine Unzuständigkeit angenommen hat - die Bindung des neuen Gerichts ein, § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO. Hat umgekehrt ein Gericht seine Zuständigkeit zu Unrecht bejaht, kann im Interesse des Beklagten, der sich während eines erstinstanzlichen Verfahrens darauf hat einstellen müssen, die Berufung nicht darauf gestützt werden, dass das Erstgericht seine örtliche Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat (§ 512a ZPO). Die genannten zivilprozessualen Regeln dienen nicht nur der Arbeitsentlastung der Gerichte, sondern schützen auch die Parteien davor, zwischen die Stühle verschiedener Rechtsauffassungen zu geraten. Ähnliche Grundsätze gelten, jedenfalls nach teilweise vertretener Auffassung, im Haftungsrecht. Unbestritten ist dies bei der Haftung von Beamten-, objektive Amtspflichtverletzungen eines Beamten werden in der Regel verneint, wenn ein Kollegialgericht nach mündlicher Verhandlung dessen Auffassung teilt (BGH VersR 1986, 371; BORGMANN/HAUG, Anwaltshaftung, 3. Aufl., V, § 26, Rn. 24). Dass dem Rechtsanwalt die entschuldigende Wirkung von Kollegialgerichtsentscheidungen nur gelegentlich zugute gehalten worden ist, in den letzten Jahrzehnten immer seltener, hängt mit der fehlerhaften Entwicklung der Rechtsprechung zum Anwaltshaftungsrecht zusammen (vgl. REINELT, Anwaltsfeindliche Tendenzen in der Rechtsprechung ZAP F. 23, S. 491 ff.; BGH NJW-RR 1986, 1281; BGH NJW 1985, 42, OLG München, VersR 1987, 208; BORGMANN/HAUG, a. a. 0., Rn. 25 m. w. N.). Generell kann aber aus dieser bei Beamten regelmäßig, bei Anwälten viel zu selten angenommenen entschuldigenden Wirkung von Kollegialgerichtsentscheidungen ebenfalls der Grundsatz entnommen werden: Der Rechtssuchende muss materiellen Vertrauensschutz genießen, wenn er sich in seinen Dispositionen so verhält, dass ein Kollegialgericht nach mündlicher Verhandlung seine Rechtsauffassung bestätigt. Im Anwaltshaftungsrecht bedeutet dies nach zutreffender Auffassung (entgegen der neueren BGH-Rechtsprechung): Der Anwalt muss von einer Haftung frei sein, wenn er sich so verhalten hat, wie es einer Kollegialgerichtsentscheidung entspricht. Sowohl diese Regelungen als auch der allgemeine Grundsatz des Vertrauensschutzes legen es nach meiner Auffassung nahe, in Fällen der besprochenen Art die richterliche Unabhängigkeit bei der Wahl einer bestimmten Rechtsauffassung zu begrenzen. III. Fazit Die richterliche Unabhängigkeit bei der Entscheidung zwischen verschiedenen vertretbaren Rechtsauffassungen muss dort eingeschränkt werden, wo eine solche Entscheidung sich in erkennbaren Widerspruch zum Vertrauensgrundsatz und damit auch zur Rechtssicherheit setzt. Die richterliche Unabhängigkeit, sich gegebenenfalls auch einer Mindermeinung anzuschließen, kann und muss in bestimmten Fällen beschränkt werden, nämlich dann, wenn die Entscheidung für die Mindermeinung einer erkennbar vom Rechtssuchenden im Vertrauen auf die herrschende Meinung getroffenen Disposition den Boden entzieht. Das gleiche muss gelten, wenn sich eine Partei bei ihren Rechts- oder Prozesshandlungen auf die Auffassung eines Kollegialgerichts nach mündlicher Verhandlung verlassen hat. Hat eine Partei Rechts- oder Prozesshandlungen im Vertrauen auf eine von einem Gericht im konkreten Fall vertretene Rechtsauffassung oder im Vertrauen auf einen bestimmten von der h. M. vorgezeichneten Weg vorgenommen, gebieten Vertrauensschutz und Rechtssicherheit, dass der Richter in einem nachfolgenden Prozess diese Entscheidung der Partei nicht durch Berufung auf eine von ihm für richtig gehaltene konträre Mindermeinung konterkariert. |