Nachruf Dr. Egon Schneider *3.4.1927 †3.10.2014
Mit seinem erfrischend klaren Stil hat er sich stets an diese Vorgabe gehalten. Es gab bei ihm kein vages Umschreiben des „Einerseits“ und „Andererseits“. Die aufgeplusterte Inhaltsleere zahlreicher, sich wissenschaftlich gebender juristisch verklausulierter Texte hat er oft gebrandmarkt. Mit seinen Werken greift SCHNEIDER weit über die engere Dogmatik des Rechts hinaus. Er öffnet Bereiche, die gewöhnlich dem Juristen verschlossen bleiben, z.B. in der Aussage- und Beweiswürdigungslehre, der Psychologie, der Soziologie und der Philosophie. Es kommt nicht von ungefähr, dass EGON SCHNEIDER, ohne dass er sich je darum bemüht hätte, seit Jahrzehnten eine Schar von inzwischen älter gewordenen Juristen nicht nur seine Schüler, sondern auch seine „Jünger“ nennen kann. Wer mit ihm zu tun hatte, war und blieb tief beeindruckt von seinem klaren Denken, seinem Können und seiner liebenswürdigen Menschlichkeit. Mich hat bereits im Studium Mitte der 60iger Jahre seine „Logik für Juristen“ außerordentlich fasziniert. Eines Tages habe ich ihn einfach zu Hause in Much/Niederheimbach angerufen und gefragt, ob ich ihn kennenlernen dürfte. Er war sofort dazu bereit. Seitdem unterhielten wir engen Kontakt. Ich bin stolz darauf, dass er mir schon nach kurzen Begegnungen das „Du“ anbot und erklärte, das habe er seit Jahrzehnten sonst niemals gemacht. Seitdem zählen meine Frau, meine Schwägerin und ich zu seinem engen Freundeskreis. („Meine Freunde nennen mich Fiz, Fize meines Kalibers schreiben sich ohne ›t‹.“). Seine Richterlaufbahn begann und beendete er in Köln, zuerst beim Landgericht und dann beim Oberlandesgericht. Trotz herausragender Noten und Beurteilungen hat er auf den Vorsitz eines Senats beim Oberlandesgericht bewusst verzichtet. Er befürchtete, dass die herausgehobene Position seine nachhaltige Justizkritik (beispielsweise im „Justizspiegel“) erschweren könnte. Alle Kollegen haben ihn als großen Richter, Rechtslehrer und außergewöhnlichen juristischen Schriftsteller in Erinnerung. Jeder Jurist kennt ihn als den Grandseigneur des Zivilprozessrechts. Einige seiner Schüler [ALTMEPPEN, BECKER-EBERHARD, DAUNER-LIEB und REICHARD] schreiben in der ZAP, Sonderheft für Dr. Egon Schneider 2002:
Wir alle verlieren einen der bedeutendsten Juristen der letzten Jahrzehnte, einen Lehrer, der Generationen von Juristen nicht nur ausgebildet, sondern in ihrem kritischen und niemals autoritätshörigen Denken menschlich und fachlich geprägt hat, einen Denker und couragierten Juristen, der weit über den Rand gewöhnlichen juristischen Verständnisses in zahlreichen Wissensgebieten, wie beispielsweise der Philosophie oder der Psychologie, zu Hause war. Als profunden Kenner der Frauenseele feiert ihn die Familienrechtlerin Dr. DORIS KLOSTER-HARZ in ihrem Beitrag zum 85. Geburtstag des Jubilars in lto vom 3.4.2012. Außerordentlich hohe Intelligenz, akkurate Lebensplanung, preußisches Arbeitsethos, tiefe Humanität, Bescheidenheit, Charme und rheinischer Humor kennzeichnen seine unvergleichliche Persönlichkeit. Es entspricht seinem selbstbestimmten, unabhängigen Weg, uns die Weisung zu hinterlassen: Bitte verzichtet auf Anzeigen oder Feierlichkeiten. Vielleicht hätte er auch – bescheiden wir er war – den Verzicht auf einen Nachruf gewünscht. Aber einen solchen – auch nur mutmaßlichen – Wunsch zu erfüllen, können wir nicht über uns bringen. Wir nehmen deshalb mit diesem Nachruf Abschied von einem großen Lehrer, Juristen und einem wunderbaren Menschen, der eine nicht zu schließende Lücke hinterlässt. Wir verlieren einen der wichtigsten Juristen der letzten Jahrzehnte, meine Familie und ich darüber hinaus einen engen Freund.
Rechtsanwalt beim BGH Prof. Dr. EKKEHART REINELT |