jurisPR-BGHZivilR 4/2013 Anm. 2

Vorlage einer Eigentümerliste durch den Verwalter bei der Beschlussmängelklage (analog § 142 ZPO)

BGH 5. Zivilsenat, Urteil vom 14.12.2012 - V ZR 162/11
von Prof. Dr. Ekkehart Reinelt, RA BGH

Leitsatz
Bei einer Beschlussmängelklage muss das Gericht auf Anregung des Klägers der Verwaltung aufgeben, eine aktuelle Liste der Wohnungseigentümer vorzulegen, und die Anordnung nach Fristablauf gegebenenfalls mit Ordnungsmitteln durchsetzen (§ 142 ZPO analog).

A. Problemstellung
Wie soll der einzelne Wohnungseigentümer bei der Beschlussmängelklage (Binnenstreitigkeit nach § 43 Nr. 1 bis 4 WEG) in die Lage versetzt werden, rechtzeitig innerhalb der Anfechtungsfrist nach § 46 WEG die Anfechtungsgegner in der Beschlussmängelklage zu bezeichnen? Bis zu welchem Zeitpunkt muss er eine Liste mit den Daten der übrigen Wohnungseigentümer bei Gericht vorlegen? Kann im Prozess vom Verwalter als Vertreter der Gegenseite die Vorlage einer solchen Liste verlangt werden?

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Parteien sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft und wenden sich mit der gegen die übrigen Wohnungseigentümer gerichteten Klage gegen Beschlüsse in einer Eigentümerversammlung. In der Klageschrift haben sie die Verwaltung aufgefordert, eine aktuelle Liste der Wohnungseigentümer vorzulegen. Hilfsweise haben sie sich auf die in einem weiteren bei demselben Amtsgericht geführten Rechtstreit vorgelegte Eigentümerliste bezogen.

Das Amtsgericht hat der Verwaltung unter Fristsetzung die Vorlage der Liste aufgegeben. Die Verwaltung ist dem nicht nachgekommen. Das Amtsgericht hat der Klage gleichwohl stattgegeben.

Das Landgericht hat sie dagegen auf Berufung der Beklagten als unzulässig abgewiesen. Es sei Aufgabe der Kläger, bis zur mündlichen Verhandlung eine Eigentümerliste vorzulegen.

Die zugelassene Revision der Kläger hat Erfolg. Der BGH hebt die Berufungsentscheidung auf und verweist an das Berufungsgericht zurück.

Nach seiner gefestigten Auffassung genügt es, die übrigen Wohnungseigentümer durch die Angabe des gemeinschaftlichen Grundstücks zu bezeichnen (§ 44 Abs. 1 Satz 1 WEG). Die einmonatige Anfechtungsfrist nach § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG darf die Rechtsverfolgung des Klägers nicht unzumutbar erschweren. Zwar muss grundsätzlich bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung eine Bezeichnung der übrigen Wohnungseigentümer mit Namen und Anschrift erfolgen (§ 44 Abs. 1 Satz 2 WEG, BGH, Urt. v. 04.03.2011 - V ZR 190/10 - NJW 2011, 1738, Rn. 11, m.w.N.). Jedoch kann die fehlende Bezeichnung der einzelnen Wohnungseigentümer auch noch im Berufungsrechtszug nachgeholt werden (für die entsprechende Nachreichung bezüglich der Anschriften: BGH, Urt. v. 20.05.2011 - V ZR 99/10 Rn. 9).

Nach Auffassung des BGH sind die Kläger schon in erster Instanz ihrer prozessualen Obliegenheit dadurch nachgekommen, dass sie beantragt haben, dem Verwalter die Vorlagen der Listen aufzugeben. Es geht dabei im Kern um eine prozessuale Auskunft. Zwar ist auf eine solche § 142 Abs. 1 ZPO nicht unmittelbar anzuwenden. Denn die Vorschrift bezieht sich auf die Vorlage von Urkunden oder Unterlagen im Besitz einer Partei. Im vorliegenden Fall geht es allerdings nicht um die materielle Sachaufklärung, sondern darum, die prozessualen Voraussetzungen der Klageerhebung herzustellen. Deshalb ist nach Auffassung des BGH § 142 ZPO nicht direkt anzuwenden. Jedoch – so der BGH – besteht hier eine für entsprechende Anwendung der Norm erforderliche planwidrige Regelungslücke. Der Gesetzgeber hat im Zusammenhang mit der Einführung von § 44 WEG betont, dass eine Abweisung der Klage als unzulässig nur dann in Betracht kommt, wenn der Kläger die notwendigen Angaben endgültig und grundlos verweigert (BT-Drs. 16/887, S. 36). Dabei hat er aber nicht in den Blick genommen – so der BGH – dass der Verwalter wie im vorliegenden Fall nach Aufforderung der Liste untätig bleibt. Deshalb besteht nach Auffassung des V. Zivilsenats ein praktisches Bedürfnis, die Vorlage der Liste durch den Verwalter in Analogie zu § 142 Abs. 1 ZPO herbeizuführen.

§ 142 ZPO gestattet dem Gericht, im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens, die Vorlage einer Urkunde oder Unterlage, auf die die Gegenseite sich bezogen hat, im Prozess zu verlangen. Den Schwierigkeiten, denen sich ein Wohnungseigentümer bei einer Beschlussmängelklage in Bezug auf die Feststellung der passivlegitimierten übrigen Wohnungseigentümer gegenüber sieht, kann jedoch nach Auffassung des BGH nur dadurch Rechnung getragen werden, dass sich das in § 142 Abs. 1 ZPO vorgesehene Ermessen des Gerichts („kann“) auf einen strikten Anspruch verdichtet. Deshalb hat nach Auffassung des BGH das Gericht in Bezug auf die Anordnung der Vorlage der Liste durch den Verwalter keinen Ermessenspielraum. Da der Verwalter gegenüber dem einzelnen Wohnungseigentümer zur Vorlage verpflichtet ist, muss die analoge Anwendung des § 142 Abs. 2 Satz 1 ZPO dazu führen, einen strikten Anspruch auf Vorlage dieser Liste im Prozess zu bejahen. Die Aufforderung zur Vorlage kann bereits mit der Zustellung der Klage erfolgen. Das Versäumnis der Verwaltung darf nicht zulasten des Klägers gehen.

C. Kontext der Entscheidung
Der BGH folgt mit seiner Entscheidung der herrschenden Meinung zur analogen Anwendung des § 142 ZPO in der Literatur (Klein in: Bärmann, WEG, 11. Aufl., § 44 Rn. 11; Engelhardt in: MünchKomm BGB, 5. Aufl., § 44 WEG Rn. 5; Niedenführ in: Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 9. Aufl., § 44 Rn. 8; Riecke/Schmidt/Ambramenko, WEG, 3. Aufl., § 44 Rn. 7; Timme/Elzer, WEG, § 44 Rn. 25 a.A. LG Köln, Urt. v. 17.02.2011 - 29 S 143/10 - ZWE 2011, 234; LG Stuttgart, Urt. v. 02.04.2009 - 2 S 34/08; AG Ulm, Urt. v. 12.01.2011 - 1 C 46/09 WEG - ZMR 2011, 920; Suilmann in: Jennißen, WEG, 3. Aufl., § 44 Rn. 14b). Damit liegt die Entscheidung des V. Zivilsenats auf der Linie einer praxisfreundlichen und sachgerechten Erleichterung der Prozessführung des klagenden Wohnungseigentümers bei Binnenstreitigkeiten. Gerade bei größeren Eigentümergemeinschaften ist der Kläger kaum in der Lage, innerhalb der Frist des § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG die ggf. ständig wechselnden Wohnungseigentümer zu ermitteln und in der Klageschrift aufzuführen. Zum einen ist schon praktisch eine Grundbucheinsicht innerhalb des Monats nach Beschlussfassung faktisch so gut wie unmöglich. Zum anderen gehen aus dem Grundbuch auch die ladungsfähigen Anschriften der Wohnungseigentümer nicht hervor (§ 15 Abs. 1 GBV). Schließlich kann sich ein Eigentümerwechsel – wie der BGH betont – auch außerhalb des Grundbuchs vollziehen. Deshalb ist eine zuverlässige Angabe der aktuellen übrigen Wohnungseigentümer durch einen einzelnen Wohnungseigentümer – jedenfalls bei größeren Wohnungseigentümergemeinschaften – innerhalb kurzer Frist so gut wie unmöglich. Dagegen ist der Verwalter aufgrund seiner Tätigkeit natürlich immer auf dem neuesten Stand und verfügt über eine aktuelle Eigentümerliste. Da er materiell-rechtlich zur Übergabe einer solchen Liste an den einzelnen Eigentümer verpflichtet ist, ist es nur ein kleiner konsequenter Schritt, ihm die Vorlage einer solchen Liste analog § 142 ZPO aufzugeben und den einzelnen Wohnungseigentümer nicht mit den Folgen einer pflichtwidrig unterlassenen Vorlage zu belasten. Deshalb darf in solchen Fällen die Klage nicht als unzulässig abgewiesen werden. Vielmehr genügt der Kläger seiner Darlegungslast mit der Aufforderung an den Verwalter, die entsprechende Liste vorzulegen.