jurisPR-BGHZivilR 21/2012 Anm. 1

Hemmung der Verjährung durch negative Feststellungsklage des Schuldners?

Anmerkung zu BGH 12. Zivilsenat, Urteil vom 15.08.2012 - XII ZR 86/11
von Prof. Dr. Ekkehart Reinelt, RA BGH

Leitsatz
Auch nach der Neugestaltung des Verjährungsrechts durch das am 01.01.2002 in Kraft getretene Schuldrechtsmodernisierungsgesetz genügt weder die Erhebung einer negativen Feststellungsklage durch den Schuldner noch die Verteidigung des Gläubigers hiergegen, um eine Hemmung der Verjährung zu bewirken (Fortführung von BGH v. 08.06.1978 - VII ZR 54/76 - BGHZ 72, 23 = NJW 1978, 1975).

A. Problemstellung
Können die negative Feststellungsklage des Schuldners – oder die Rechtsverteidigung des Gläubigers – die Verjährung des Zahlungsanspruchs des Gläubigers hemmen?

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Zwischen den Streitteilen bestand ein Mietverhältnis über Geschäftsräume. Diese hatte der Beklagte und Revisionskläger an den Kläger und Revisionsbeklagten vermietet. Ursprünglich hatte der Kläger Ansprüche gegen den Beklagten geltend gemacht, die im Revisionsverfahren nicht mehr interessieren. Der Beklagte hat in diesem Verfahren Widerklage gegen den Kläger auf Zahlung von Schadensersatz wegen Beschädigung der Mieträume erhoben und zugleich die negative Feststellung beantragt, dass dem Kläger im Hinblick auf ausstehende Nebenkosten und Prozesskosten im laufenden Verfahren keine Ansprüche auf Auszahlung der Kaution mehr zustünden.

Nach Rücknahme der ursprünglichen Klage wurde die negative Feststellungswiderklage weiterverfolgt. Im Verfahren vor dem Berufungsgericht hat der Beklagte teilweise unbedingt mit Zahlungsansprüchen gegen den Kautionsrückzahlungsanspruch aufgerechnet und weiterhin Feststellung beantragt, dass dem Kläger (Mieter) keine Ansprüche auf Rückzahlung der Kaution zustehen. Das Berufungsgericht sah den geringeren Teil der geltend gemachten Ansprüche als begründet an und hat in der Folge deshalb der negativen Feststellungsklage in diesem geringeren Umfang stattgegeben, im Übrigen aber die negative Feststellungsklage, die der Beklagte wegen Verjährung des Kautionsrückzahlungsanspruchs in vollem Umfang als begründet angesehen hat, abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die negative Feststellungsklage im Wesentlichen abgewiesen. Dann hat es die Revision zugelassen wegen der von ihm als ungeklärt angesehenen Frage, ob die Kautionsrückzahlungsforderung im vorliegenden Fall als verjährt angesehen werden kann oder nicht.

Im Revisionsverfahren hatte der BGH sich mit der Frage zu befassen, ob die Erhebung der negativen Feststellungsklage oder die Verteidigung des Beklagten dagegen die Verjährung des Kautionsrückzahlungsanspruchs berühren. Soweit das Berufungsgericht den Anspruch des Klägers auf Rückzahlung der Kaution als erloschen angesehen hat (Teilaufrechnung eines geringeren Betrages gegen den Beklagten), gab es keinen Angriff im Revisionsverfahren. Angegriffen hat jedoch der Beklagte die Abweisung der negativen Feststellungsklage, soweit das Berufungsgericht den Rückzahlungsanspruch als nicht verjährt angesehen hat.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung ausgeführt: Nach einhelliger Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum könne allein die Verteidigung gegen eine negative Feststellungsklage nicht zur Hemmung der Verjährung gemäß § 204 BGB hinsichtlich des Leistungsanspruchs führen. Im vorliegenden Fall sei das aber anders zu beurteilen. Denn der Beklagte (Vermieter) berufe sich darauf, dass die negative Feststellungsklage deshalb begründet sei, weil der Kläger seinen Kautionsrückzahlungsanspruch wegen Verjährung nicht mehr verfolgen könne. Das aber kollidiere mit der grundsätzlichen Rechtskraftwirkung, die von der Abweisung einer negativen Feststellungsklage ausgeht. Bei Abweisung der negativen Feststellungsklage stehe somit das Bestehen des Kautionsrückzahlungsanspruchs in der noch offenen Höhe fest. Außerdem habe der Beklagte im Verfahren seinen eigenen behaupteten Schadensersatzanspruch wegen Beschädigung der Mietsache gegen den Kautionsrückzahlungsanspruch des Mieters aufgerechnet. Damit habe er den Kautionsrückzahlungsanspruch anerkannt. Das habe gemäß § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB zu einem Neubeginn der Verjährung geführt. Diese aber sei gemäß den §§ 203, 204 BGB gehemmt worden, weil die Parteien während des Gerichtsverfahrens gerade über die Berechtigung der Aufrechnungsforderung gestritten hätten. Deshalb sei der Anspruch auf Rückzahlung der Kaution nicht verjährt, die negative Feststellungsklage des Beklagten (Vermieters) mithin abzuweisen.

Der BGH teilt diese Auffassung im entscheidenden Punkt nicht. Zunächst führt er aus, dass die Revision uneingeschränkt zulässig ist. Die vom Berufungsgericht ausgesprochene Beschränkung der Zulassung auf die Frage der Verjährung sei unwirksam, weil sie sich auf eine einzelne Rechtsfrage beschränkt. Eine derart unwirksame Beschränkung der Revision führe zu deren unbeschränkten Zulässigkeit (BGH, Urt. v. 13.04.2011 - XII ZR 110/09 - NJW 2011, 2796 Rn. 13 ff.; BGH, Urt. v. 15.09.2010 - XII ZR 148/09 - FamRZ 2010, 1888, Rn. 18). Fehlt es an einer wirksamen Beschränkung der Revision, ist allein die Beschränkung, nicht die Zulassung der Revision unwirksam (BGH, Urt. v. 21.09.2006 - I ZR 2/04 - FamRZ 2007, 39, m.w.N.).

Der BGH hatte sich zunächst mit der Frage zu beschäftigen, wann eigentlich der Rückzahlungsanspruch in Bezug auf die Mietkaution fällig wird, weil das der maßgebende Zeitpunkt für die nach den §§ 195, 199 Abs. 1 BGB zu berechnende Verjährung ist. Nach dem Mietvertrag war die Kaution spätestens drei Monate nach Rückgabe der Mietsache zurückzuzahlen. Das markierte den Fälligkeitszeitpunkt für das Entstehen des Rückzahlungsanspruchs.

Soweit die vertragliche Regelung bestimmt, dass der Vermieter berechtigt ist, einen Teil der Kautionssumme zurückzubehalten, sofern ihm zu diesem Zeitpunkt noch eine Forderung gegen den Mieter zustehen kann (beispielsweise ausstehende Betriebskostenabrechnungen), handelt es sich nach Auffassung des BGH lediglich um die Vereinbarung eines vertraglichen Zurückbehaltungsrechts. Dieses lässt den Eintritt der Fälligkeit der Forderung unberührt.

Die sich hieran anschließende entscheidende Frage, ob die negative Feststellungsklage des Beklagten (Vermieters) und/oder die Verteidigung des Feststellungsbeklagten zur Hemmung der Verjährung des Kautionsrückzahlungsanspruchs führen, verneint der BGH. Es gelte nach dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz in Bezug auf die Hemmung insoweit nichts anderes als das, was zuvor nach altem Recht zur Unterbrechung der Verjährung gegolten habe: Unterbrechung und Hemmung der Verjährung werden nur ausgelöst, wenn der Berechtigte die Feststellung oder Durchsetzung seines Anspruchs aktiv betreibt, um den Verjährungseintritt zu verhindern. Die bloße Verteidigung gegen eine negative Feststellungsklage des Schuldners steht dem nicht gleich. Die Verteidigung gegen eine insoweit gegen den Anspruchsberechtigten gerichteten Klage enthalte gerade nicht den Versuch, den eigenen Anspruch durchzusetzen und führe deshalb nicht zu einer Hemmung der Verjährung (BGH, Urt. v. 08.06.1978 - VII ZR 54/76 - BGHZ 72, 23 = NJW 1978, 1975). Die Neugestaltung des Verjährungsrechts durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz hat dieses Prinzip beibehalten. Auch die Hemmungstatbestände der §§ 203, 204 Abs. 1 BGB verlangen, dass der Gläubiger aktiv seinen Anspruch verfolgt, um den Eintritt der Verjährung zu verhindern.

Ergebnis: Die negative Feststellungswiderklage des Beklagten (Vermieters) und die Rechtsverteidigung des Klägers (Mieters) hemmen nicht die Verjährung des Kautionsrückzahlungsanspruchs.

Im vorliegenden Fall war allerdings zusätzlich zu prüfen, ob die vom Beklagten (Vermieter) erklärte Hauptaufrechnung gegen den Kautionsrückzahlungsanspruch ein Anerkenntnis i.S.v. § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB bewirkt.

Zu diesem Punkt gibt der BGH dem Berufungsgericht Recht: Die unbedingt erklärte Hauptaufrechnung mit dem Kautionsrückzahlungsanspruch kann in vertretbarer Weise als Anerkenntnis i.S.d. § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB gewertet werden, das die Verjährung erneut in Gang setzt. Dabei gilt allerdings die Ultimo-Regel des § 199 Abs. 1 HS. 1 BGB nicht. Die Verjährung beginnt vielmehr an dem Tag, der dem Anerkenntnis folgt (BGH, Urt. v. 09.07.1998 - IX ZR 272/96 - NJW 1998, 2972, 2973; Palandt/Ellenberger, BGB, 71. Aufl., § 212 Rn. 8). Im vorliegenden Fall war die Frage entscheidend, ob die damit ausgelöste, neu begonnene Verjährung in der Folgezeit durch Verhandlungen gehemmt worden ist. Innerhalb des Prozessverfahrens hatten die Parteien über einen Vergleichsabschluss verhandelt, der dann aber gescheitert war. Ausreichende Feststellungen zur Frage, wie lange die Parteien Verhandlungen über den Kautionsrückzahlungsanspruch innerhalb des Verfahrens geführt haben, hatte das Berufungsgericht nicht getroffen. Der BGH hat deshalb zur Klärung dieser Frage die Sache zurückverwiesen.

C. Kontext der Entscheidung
In der zentralen Rechtsfrage, nämlich der Beurteilung der Wirkung der negativen Feststellungsklage und der Verteidigung gegen diese auf die Verjährung des Zahlungsanspruchs des Klägers, hat der BGH klar und zutreffend Stellung bezogen: Weder die Erhebung der negativen Feststellungsklage, noch die Verteidigung gegen diese haben auf den Lauf der Verjährung Einfluss. In einem vergleichbaren Fall wird also der anwaltliche Berater des Klägers (Mieters) zur Hemmung der Verjährung darauf zu achten haben, dass er sich nicht auf die Verteidigung gegen die negative Feststellungsklage beschränken darf. Vielmehr muss er umgekehrt die Verjährung durch Erhebung einer Leistungsklage (Rückzahlung der Kaution) hemmen. Das kann er jederzeit tun, denn die Rechtshängigkeit der negativen Feststellungsklage steht der Erhebung der positiven Leistungsklage nicht entgegen.

D. Auswirkungen für die Praxis
Wenn positive Leistungsklage gegenüber der negativen Feststellungsklage erhoben wird, entfällt nachträglich das Rechtsschutzinteresse für die negative Feststellungsklage, sobald die positive Feststellungs- oder Leistungsklage einseitig nicht mehr zurückgenommen werden kann (BGH, Urt. v. 02.03.1999 - VI ZR 71/98 - NJW 1999, 2516; BGH, Urt. v. 21.12.2005 - X ZR 17/03 - NJW 2006, 515). Das führt wegen des nachträglichen Fortfalls des Feststellungsinteresses dazu, dass die negative Feststellungsklage für erledigt zu erklären ist.

Nur auf diesem Weg – mit Erhebung der positiven Leistungsklage auf Rückzahlung der Kaution – kann die Hemmung der Verjährung für den anspruchsberechtigten Mieter bezüglich seines Kautionsrückzahlungsanspruchs sichergestellt werden.

Umgekehrt muss der Anwalt des beklagten Vermieters bei der Aufrechnung auf Folgendes achten: Soweit er mit bezifferten Ansprüchen aufrechnet, kann sein Verhalten selbstverständlich nicht als Anerkenntnis des Kautionsrückzahlungsanspruchs gewertet werden. Soweit er allerdings Hauptaufrechnung oder Verweigerung der Rückzahlung lediglich wegen angeblich eingetretener Verjährung geltend macht, lässt sich das Risiko nicht ganz ausschließen, dass sein Verhalten unter Umständen als Anerkenntnis gewertet wird. Denn dafür genügt jedes tatsächliche Verhalten dem Gläubiger gegenüber, aus dem sich das Bewusstsein des Schuldners vom Bestehen des Anspruchs klar und unzweideutig ergibt (BGH, Urt. v. 06.04.1965 - V ZR 272/62 - NJW 1965, 1430). Eine negative Feststellungsklage, die ausschließlich damit begründet wird, dass der an sich bestehende Kautionsrückzahlungsanspruch verjährt ist, kann also – was ein Anerkenntnis des § 212 BGB betrifft – für den beklagten Vermieter problematisch werden.

E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung
Im vorliegenden Fall enthielt die vertragliche Vereinbarung (Mietvertrag) eine Fälligkeitsabrede für die Kautionsrückzahlung. Das markierte den Beginn der Verjährung (Fälligkeit: drei Monate nach Beendigung des Mietverhältnisses). Soweit die Parteien keine Vereinbarung hierüber getroffen haben, wird man davon ausgehen müssen, dass der Vermieter die Kaution bis zum Ablauf einer ihm zuzubilligenden Abrechnungsfrist einbehalten kann mit der Folge, dass sie nach Ablauf dieser Abrechnungsfrist fällig ist.

Diese Frist, innerhalb derer die Kaution zu verwerten oder zurückzugeben ist, ist gesetzlich nicht bestimmt. Von der Rechtsprechung werden Fristen zwischen drei und sechs Monaten gewährt (vgl. Harz/Kääb/Riecke/Schmid, Handbuch des Fachanwalts Miet- und Wohnungseigentumsrecht, 3. Aufl., Kap. 6 Rn. 133 f., m.w.N.). Es ist zu beachten, dass die Bestimmung diese Frist anhand der Umstände des Einzelfalls eine Frage tatrichterlichen Ermessens ist, in die das Revisionsgericht nur bei Rechtsfehlern eingreifen kann.

Die dann ausgelöste Verjährung der Rückzahlung des Kautionsanspruchs kann wiederum durch Verhandlungen gehemmt sein, die auch während eines gerichtlichen Verfahrens stattfinden können (§ 203 BGB). Die bloße Tatsache der Führung des gerichtlichen Verfahrens kann Hemmungswirkung i.S.d. § 204 BGB bewirken, impliziert aber nicht gleichzeitig den Hemmungstatbestand des § 203 BGB. Verhandeln die Parteien jedoch innerhalb des Verfahrens beispielsweise über den Abschluss eines Vergleichs, dann kann eine Hemmung bis zum Scheitern solcher Verhandlungen eintreten. Es ist also durchaus denkbar, dass Hemmung durch Verhandlungen i.S.d. § 203 BGB auch während eines Verfahrens bewirkt werden kann. § 204 BGB, der die Hemmung während eines gerichtlichen Verfahrens betrifft, kann also nicht so interpretiert werden, dass die Anwendung des § 203 BGB (Hemmung durch Verhandlungen) während der Rechtsverfolgung ausgeschlossen wäre.

Weil die Verjährung eines Kautionsrückzahlungsanspruchs nicht dessen Bestehen, wohl aber die Durchsetzbarkeit des Anspruchs ausschließt, muss der Beklagte seine negative Feststellungsklage richtigerweise so formulieren, dass dem Kläger aus der übergebenen Sicherheitsleistung (Kaution) kein „durchsetzbarer“ Rückzahlungsanspruch zusteht.

Die Überlegung des Berufungsgerichts, der negativen Feststellungsklage habe deshalb nicht stattgegeben werden können, weil damit das Bestehen des Kautionsrückzahlungsanspruchs in der noch offenen Höhe feststehe, ignoriert den Umstand, dass das Gericht im Rahmen des § 308 ZPO auch einen eingeschränkten Teil eines Feststellungsanspruchs zusprechen kann. Hätte also der Beklagte im Rahmen der Feststellungswiderklage beantragt festzustellen, dass dem Kläger kein Rückzahlungsanspruch zusteht und wäre das Gericht der Meinung gewesen, dass der Rückzahlungsanspruch wegen Verjährung lediglich nicht durchsetzbar ist, hätte es als Minus die Feststellung aussprechen müssen, dass kein „durchsetzbarer“ Rückzahlungsanspruch besteht.

Häufig wird bei der negativen Feststellungsklage der Umfang der Darlegungs- und Beweislast verkannt. Es steht außer Zweifel, dass der Kläger der negativen Feststellungsklage lediglich darzulegen und zu beweisen hat, dass sich der Feststellungsbeklagte eines Anspruchs berühmt. Alle Voraussetzungen für Entstehen und Bestehen dieses Anspruchs hat dagegen der Feststellungsbeklagte darzulegen und zu beweisen (BGH, Urt. v. 02.03.1993 - VI ZR 74/92 - NJW 1993, 1716; BGH, Urt. v. 03.04.2001 - XI ZR 120/00 - BGHZ 147, 203, 208).